Die Verkehrswende ist unabdingbar: Eindrücke vom BUVKO 2023
erschienen im Parents-Newsletter #26 (Mai 2023)
Der bundesweite Umwelt- und Verkehrskongress (BUVKO) fand dieses Jahr an der Leuphana Universität in Lüneburg statt. Das diesjährige Motto: „Was uns antreibt – gesund und klimaschonend unterwegs“. Dabei ging es hauptsächlich um die Verkehrswende und nicht um die Energiewende.
In seinem Plenarvortrag zeigte Martin Schmied vom Umweltbundesamt auf, dass zur Dekarbonisierung des Verkehrs beides notwendig ist: eine Energiewende und eine Verkehrswende – die Energiewende jedoch umso teurer wird, desto mehr Energie der Verkehr benötigt. Er betonte vor allem, dass nachhaltige Mobilität mehr ist als treibhausgasneutraler Verkehr (Stichworte: Feinstaub, Lärm, Flächenverbrauch, Sicherheit, Ressourcenverbrauch).
Das Fazit des gesamten Kongresses kann mit dem Satz zusammengefasst werden:
Die Verkehrswende ist unabdingbar.
Mit diesem Satz ist auch die Resolution des BUVKO 2023 überschrieben.
Ein wesentlicher Aspekt für die Verkehrswende ist das Straßenrecht und die Frage, welche Verkehrsarten wie gefördert werden. Im Folgenden sind einzelne Aspekte aus zwei Workshops zusammengefasst, die sich mit diesen Themen befassten.
Reform des Straßenverkehrsrechts
Ein Satz in der Straßenverkehrsordnung ist besonders hervorzuheben: In der StVO §45 Absatz 9 Satz 3 heißt es:
Insbesondere Beschränkungen und Verbote des fließenden Verkehrs dürfen nur angeordnet werden, wenn auf Grund der besonderen örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt.
Es gibt zwar im Anschluss an diesen Satz ein paar Ausnahmen, die eine Beschränkung des fließenden Verkehrs erlauben, aber grundsätzlich ist dieser Satz eine große Hürde für eine Verkehrswende, die eine Förderung des aktiven Verkehrs (Rad- und Fußverkehrs) einschließt. Kommunen können damit kaum wirksame Schritte in Richtung einer Verkehrswende einleiten.
Hoffnung macht folgender Satz im Koalitionsvertrag (Seite 41):
Wir werden Straßenverkehrsgesetz und Straßenverkehrsordnung so anpassen, dass neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs die Ziele des Klima- und Umweltschutzes, der Gesundheit und der städtebaulichen Entwicklung berücksichtigt werden, um Ländern und Kommunen Entscheidungsspielräume zu eröffnen.
Dieser Satz hat es auch in das Beschlusspapier vom 28.3.2023 des Koalitionsausschusses geschafft. In den nächsten Monaten wird es wohl einen Vorschlag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr für ein neues Straßenverkehrsrecht geben. Es ist zu hoffen, dass dann Klima- und Umweltschutz, Gesundheit und städtebauliche Entwicklung tatsächlich neben der Flüssigkeit und Sicherheit des Verkehrs stehen und nicht nur als untergeordnete Ziele. Als untergeordnete Ziele könnten sie wiederum wenig im Hinblick auf eine Verkehrswende bewirken.
Aktuell erfordert es von den Kommunen viel Kreativität und Mut, um die bestehenden Verordnungen so auszureizen, dass trotz der engen Gesetzeslage manches möglich wird. Zum Beispiel hat die Stadt Mainz eine Piktogrammkette eingeführt. Dafür hat sie auf der einen Seite den Deutschen Fahrradpreis erhalten. Gleichzeitig wurde sie gerügt, dass Piktogrammketten nicht konform mit dem Straßenverkehrsrecht seien und sie keine weiteren einführen soll.
Weitere Informationen zur Reform des Straßenverkehrsrechts finden sich auf der Website der Agora Verkehrswende (Thinktank für klimaneutrale Mobilität mit Sitz in Berlin).
Starker Radverkehr – Schwache Verkehrswende
Roland Stimpel – Bundesvorstand vom Fuss e. V. – referierte über die aktuelle Situation in den Niederlanden und kam zu dem Schluss, dass der Radverkehr zwar eine vorbildhafte Förderung in den Niederlanden erhalten hat, aber der motorisierte Individualverkehr noch einen stärkeren Zuwachs als der Radverkehr zeigt. Verlierer in den Niederlanden ist vor allem der Fußverkehr. Flächen für den Fußverkehr wurden eingeschränkt. Auch der ÖPNV ist vergleichsweise schwach.
Sein Fazit: Eine echte Verkehrswende braucht auch eine Stärkung des ÖPNV und des Gehens. Eine einseitige Förderung des Radverkehrs reduziert nicht den Autoverkehr. Oder anders formuliert: Radverkehrsförderung mit einer gleichzeitigen „Schonung des Autoverkehrs“ kann nur auf Kosten der Fußgänger und der Natur (zusätzliche Versiegelung) erfolgen. Ein weiteres Fazit: Bei allen Maßnahmen müssen Menschen ohne Auto im Fokus stehen. Nur so kommen die umfassenden Maßnahmen in den Blick, die zu einer Reduktion des Autoverkehrs und damit zu einer echten Verkehrswende führen können.