Worin besteht das Dilemma der "Klimaregierung"?
aus Parents-Newsletter #32 (März 2024)
Undemokratisches Trauerspiel: FDP als Opposition in der Regierung
Nicht nur konservative Medien können nicht häufig genug über „Streit in der Ampel“ berichten. Warum nervt das so ungemein? Weil dabei immer nur der Streitgegenstand erwähnt wird, aber so gut wie nie, welche Auswirkungen die Positionen des Blockierers auf das Klima haben. Schauen wir also einmal genauer hin:
Die FDP ignoriert die Warnungen der Klimawissenschaft. Mit dem Narrativ „technologieoffen“ täuscht sie die Öffentlichkeit über die enormen Gefahren der Wetterextreme. Als Ausweg aus dem Dilemma verspricht sie vielmehr technologische Lösungen, die die Klimawissenschaft schon längst als nicht (zumindest wirtschaftlich nicht) umsetzbar verworfen hat. Bereits in den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag beharrte sie auf der Ablehnung eines Tempolimits, mit dem lt. Umweltbundesamt jährlich rd. 6 Mio. t CO2 eingespart würden (zugleich weniger Unfälle, Staus). Und die FDP-Führung des Bundesverkehrsministeriums blockiert eine lange Liste der Bausteine für eine ökologische Verkehrswende:
FDP BLOCKIERT ÖKOLOGISCHE VERKEHRSWENDE
StVO im Sinne des Deutschen Städtetages liberalisieren, Kfz-Steuer und Pendlerpauschale ökologisch anpassen, Diesel- und Dienstwagenprivileg (zusammen rd. 12 Mrd. EUR) abschaffen, Bundesverkehrswegeplan aktualisieren, BAB-Sanierung vor Neu-/Ausbau, Vorrang Ausbau Bahninfrastruktur, Sanierung Wasserwege u. a.
Die ständig fortschreitende Vermögenskonzentration hat dazu geführt, dass zehn Prozent der Haushalte über rd. 60 Prozent des Gesamtvermögens (netto, also abzüglich Schulden) verfügen; die unteren 20 Prozent besitzen gar kein Vermögen, teilweise nur Schulden. Die FDP missinterpretiert dies als Ausdruck von „Leistung“ und stemmt sich vehement gegen zahlreiche sozialpolitische Vorhaben und Lösungsansätze von SPD und Grünen. Die Stichwortliste ist auch hier lang: Kindergrundsicherung, Kindergeld, Familienstartzeit, Klimageld für untere und mittlere Einkommen, Vermögenssteuer, Reform des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).
Die FDP kann aber nicht nur Blockade. Sie scheut offenkundig auch vor Sabotage nicht zurück. Denn wer in der Regierung oder ihrem Umfeld käme auf die Idee, den ersten internen Gesetzentwurf zur Gebäudeenergie (GEG) an die BILD-Zeitung und politische Öffentlichkeit zu leaken? So etwas passiert nur, wenn fehlender Respekt vor Ministerkollegen und politischer Vorsatz im Spiel sind. Anders sind auch die extrem unsachlichen, diffamierenden Äußerungen gegen das Wirtschaftsministerium, Habeck und die Grünen nicht zu werten, denen sich auch prominente Unionspolitiker postwendend angeschlossen haben: Merz, Söder, Aiwanger, Spahn ...
Doch damit immer noch nicht genug. Die FDP attackiert auch die Europapolitik:
Wissing, Lindner und Buschmann bringen Deutschland in der EU wiederholt in Misskredit. Das Muster: Die FDP lehnt bereits selbst mit ausverhandelte Gesetzesvorschläge in letzter Minute ab und löst damit nachvollziehbaren Ärger der übrigen europäischen Partner aus. So geschehen beim „Verbrenner-Aus“ (Wissing hat eine realitätsferne „E-Fuels-Option“ erzwungen), beim Lieferkettengesetz (dessen Abstimmung wegen des FDP-Vetos in letzter Minute verschoben werden musste), beim Frauenrechteschutz (Buschmann) und bei der Abgasnorm für LKW und Busse (auch hier hat Wissing die „E-Fuels-Option“ erzwungen).
Als besonders perfide Attacke auf den grünen Landwirtschaftsminister entpuppt sich die Streichung von Dieselsubvention und Kfz-Steuervorteil für Landwirte (rd. 1 Mrd. EUR). Warum? Weil das Einsparpotenzial allein für die allgemeine Dieselsubvention bereits rd. 6 Mrd. EUR beträgt und die FDP diese überfällige Streichung verhindert hat. Mit den og. 12 Mrd. EUR hätte Lindner den Handlungsspielraum der „Klimaregierung“ deutlich erweitern können; das wäre verantwortungsvoll gewesen in Anbetracht der extrem voranschreitenden Klimakrise.
Womit hat Deutschland oppositionelle Klimaboykotteure in der Regierung verdient? Weder die FDP noch ihre Jugendorganisation kümmern sich darum, dass unser Planet tatkräftig und wirkungsvoll entlastet wird. Das „weiter so“ der FDP ist im Kern existenzbedrohend für sehr Viele und existenzvernichtend für zu Viele. Wer weiter nur Wohlstand zu Lasten des Planeten im Kopf hat, täuscht sich selbst und seine Umgebung. Nicht mehr beherrschbare Wetterextreme sind bereits 2023 sichtbar geworden. Das bedeutet Wohlstandsverlust und Schäden in Milliardenhöhe; Geld, das viel klüger in eine ambitionierte Klimapolitik investiert würde.
Es ist daher an der Zeit, mit breiten gesellschaftlichen Bündnissen nicht nur gegen Rechtsextreme, Faschisten und demokratiefeindliche Kräfte sichtbar zu werden, sondern von allen demokratischen Parteien deutlich konsequentere Anstrengungen zur Abwendung einer nicht mehr beherrschbaren Klimakatastrophe einzufordern.
Das gilt erst recht, nachdem die Europäische Umwelt Agentur aktuell am 11.03.2024 einen schonungslosen Bericht über die sich rasant verschärfenden Klimarisiken in Europa veröffentlicht hat. Denn von allen Kontinenten der Welt erwärmt sich Europa am stärksten! Ihr dringender Appell: „Unsere neue Analyse zeigt, dass Europa mit ...Klimakrisen konfrontiert ist, die sich schneller entwickeln als unsere gesellschaftliche Vorsorge. Um die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaften sicherzustellen, müssen die europäischen und nationalen politisch Verantwortlichen jetzt handeln, damit die Klimarisiken sowohl durch rasche Emissionssenkungen als auch durch entschlossene Anpassungsstrategien und -maßnahmen verringert werden.“
Nichts von alledem findet sich in den Europawahl-Programmen der liberal-konservativen Parteien. Statt dessen diffamieren FDP und CDU/CSU Klimapolitik als grüne Marotte.
Nochmal: Womit haben wir, unsere Kinder und Enkel das verdient?
Dr. Matthias Geck, GP4F
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