Fast Fashion - die dunkle Seite der Textilproduktion
erschienen im Parents-Newsletter #38 (Januar 2025)
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Eine Textilherstellung, die immer mehr Kollektionen in immer kürzeren zeitlichen Abständen herausbringt und vertreibt, bezeichnet man als Fast Fashion. Dieses Phänomen eskaliert global zusehends mit immer weitreichenderen Auswirkungen. Kaum ein anderer Wirtschaftszweig zeigt in einem so drastischen Ausmaß den offensichtlichen Irrsinn einer sinnlosen und schädlichen Massenproduktion.
Die Kleidungsstücke, die derzeitig bereits weltweit existieren, würde ausreichen, um mehrere kommende Generationen einzukleiden. Die Produktion von Kleidung könnte also – rein fiktiv – für die nächsten 50 Jahre eingestellt werden, trotzdem würden alle Menschen weiterhin genügend Kleidung zur Auswahl haben. Es ist jedoch nicht einmal eine Reduzierung der Produktion in Sicht.
Zwischen 2000 und 2015 verdoppelte sich die Textilherstellung, bis 2030 soll sie sich voraussichtlich noch einmal verdoppeln. Nach aktuellen Schätzungen arbeiten vor allem in asiatischen Ländern 60 Millionen Menschen in der Modeindustrie und stellen jährlich zwischen 70 und 150 Milliarden neue Kleidungsstücke her.
Die großen Textilkonzerne wie H&M und Zara verfolgen eine entsprechende Werbe- und Preisstrategie, um die hierfür erforderliche Kaufbereitschaft zu fördern. Neue Online-Anbieter wie der chinesische Konzern "Shein" toppen die Vermarktung. "Shein" bringt täglich (!) bis zu 1.000 neue Produkte auf den Markt und bietet sie zu extrem niedrigen Preisen und in einer entsprechend kurzlebigen Qualität an. Während Kleidungsstücke noch bis vor einigen Jahrzehnten "Gebrauchsgüter" waren, sind sie inzwischen zu "Verbrauchsgütern" geworden, deren Haltbarkeitsdauer sich immer weiter verkürzt – mit verheerenden Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen, auf Artenvielfalt, Natur und Klima.
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Ein paar Zahlen für Deutschland: Hierzulande werden durchschnittlich rund 60 neue Kleidungsstücke pro Jahr und Person gekauft, wobei 40 % unserer Kleidung im Kleiderschrank selten bis nie getragen wird. Die Trage- und Besitzdauer von Kleidung hat sich seit 2000 halbiert. Daraus resultierend werden mehr als 1,3 Millionen Gebrauchtkleider jährlich aussortiert. Etwa jedes fünfte Kleidungsstück wird nie benutzt, oft nicht einmal verkauft, sondern landet direkt im Anschluss an die Produktion – nach einem kurzen Zwischenstopp in einem Laden oder in einem Lager – auf dem Müll.
Aber was bedeutet das nun für unseren Planeten, die Umwelt und die Menschen?
- Dies beginnt bei der Produktion der Fasern. Für ein Kilo Baumwolle werden bei der Herstellung 11.000 Liter Wasser benötigt. Durch die Monokulturen, in denen Baumwolle in der Regel angepflanzt wird, werden die Böden ausgelaugt. 16 % aller Insektizide weltweit werden auf Baumwollfeldern versprüht und gelangen durch Regen und Bewässerung in die Böden und in den Wasserkreislauf.
- Bei der Weiterverarbeitung und Veredelung der Textilien werden teilweise hochgiftige Chemikalien verwendet (ca. 1 Kilo Chemikalien für 1 Kilo Kleidung), die wiederum die Umwelt belasten. 20 % der industriellen Wasserverschmutzung sind laut dem New Standard Institut dem Färben und Behandeln von Textilien zugeordnet. So sind in textilherstellenden Ländern wie Bangladesch teilweise die Flüsse verseucht. Die in der Nähe der Flüsse lebenden Menschen leiden unter Haut- und Atemwegserkrankungen.
- Hinzu kommen extrem lange Transportwege und hoher Energieverbrauch, weil Weben, Nähen, Färben, Verarbeiten in ganz unterschiedlichen Regionen stattfindet; je nachdem, wo die Kosten am geringsten sind. Insofern kann ein Kleidungsstück bis zu seinem endgültigen Verkauf bis zu 20.000 km zurückgelegt haben und in mit Kohleenergie betriebenen Fabriken hergestellt worden sein. 8 % des weltweiten CO2-Verbrauchs sind auf die Bekleidungs- und Schuhindustrie zurückzuführen, was mehr ausmacht als der Flug- und Schiffsverkehr zusammen.
- Eine besondere Problematik stellen Kunstfasern dar. Rund 65 % aller Textilfasern auf dem Weltmarkt sind aus synthetischen Chemiefasern, also aus Kunststoffen wie Polyester, Polyamid oder Polyacryl. Für ihre Produktion werden jährlich über 100 Millionen Tonnen Öl benötigt. Bei jedem Waschgang lösen sich Mikrofasern aus dem Stoff. Bis zu 35 % des Mikroplastiks in den Weltmeeren wird auf synthetische Textilfasern zurückgeführt.
- Die Preispolitik der Textilindustrie erzwingt eine immer kostengünstigere Herstellung. Dies verringert nicht nur die Qualität und Haltbarkeit der Ware. Es verschlechtert zunehmend die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten, verringert den Arbeitsschutz, höhlt Arbeitsrechte aus, produziert Hungerlöhne und verhindert die Einhaltung von Umweltschutzmaßnahmen.
Im Klartext bedeutet das: Menschen verbringen ihre Tage in einer Fabrik und produzieren unter gesundheitsschädigenden Bedingungen (Staub, Lärm, Chemikalien) Waren, die niemand braucht. Sie arbeiten bis zu 16 Stunden täglich für einen Lohn, von dem sie kaum leben können. Viele haben keine Alternative, weil sie das wenige Geld, das sie verdienen, benötigen, um ihre Miete zu zahlen und Lebensmittel zu kaufen. Durch ihre Arbeit zerstören sie nicht nur ihre eigene Gesundheit, sondern auch ihre Lebensgrundlagen. Kinderarbeit ist in diesem Sektor keine Seltenheit.
- Am Ende der Herstellungs- und Verwendungskette stehen dann unermessliche Müllberge, die täglich weiter anwachsen. Die Notwendigkeit zur Entsorgung schickt die Kleidungsstücke erneut auf die Reise, denn die Länder, in denen die meiste Kleidung gekauft wird, exportieren den problematischen Müll in andere Regionen der Welt. Ein Teil davon landet in Afrika auf Second-Hand-Märkten und wird noch einmal verwendet. Doch etwa die Hälfte der gebrauchten Kleidung ist auch hier nichts anderes als umweltbelastender Müll.
Geschätzt 15 Millionen gebrauchte Kleidungsstücke werden jede Woche aus Europa, Nordamerika und Asien allein nach Ghana verschifft. Andere Ladungen landen in Chile, wo das wenige noch Brauchbare ebenfalls verwendet und der Rest auf riesigen Müllhalden in der Atacama-Wüste aufgetürmt wird. Dort entzünden die Materialien sich teilweise selbst und sorgen für eine weitere Belastung und Vergiftung der Umwelt. Durch die Mischfasern und die Kombination unterschiedlicher Materialien ist ein Recycling von Alt-Textilien generell schwer durchführbar, ebenso erschwert die mangelhafte Qualität die Weiterverwendung gebrauchter Kleidung. Laut Greenpeace werden weltweit jährlich 1,92 Millionen Tonnen Textilabfälle produziert, fast die Hälfte davon landet auf Mülldeponien.
Wie nun raus aus diesem Dilemma?
Zum Glück gibt es viele Ansätze, mit denen – sogar in der Modebranche selbst – über eine Reduzierung der schädigenden Auswirkungen der Textilindustrie nachgedacht wird. Es gibt politische Forderungen und Ansätze zu länderübergreifenden Regelungen, sowie innovative Ansätze für neue Produktionsweisen und nicht zuletzt auch Möglichkeiten, wie wir alle aktiv werden und uns einsetzen können. Einige dieser Ideen und Maßnahmen werden im nächsten Newsletter vorgestellt.
Quellen:
- https://www.quarks.de/umwelt/kleidung-so-macht-sie-unsere-umwelt-kaputt/
- Greenpeace: "Fast Fashion versus grüne Mode"
- Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: "Umwelt- und Sozialstandards in der Textilwirtschaft verbessern"
Rike, Newsletter-Redaktion