Fast Fashion on Stage

Fast Fashion on Stage - Interview mit der Münchner Choreografin, Tanzpädagogin und Tänzerin Sabine Karb

erschienen im Parents-Newsletter #38 (Januar 2025)

Sabine Karb ist Choreografin, Tanzpädagogin und Tänzerin in München. Dort hat sie im Rahmen eines Projektes gemeinsam mit Jugendlichen ein Tanztheater zum Thema „Fast Fashion“ entwickelt, das bereits mehrfach erfolgreich aufgeführt wurde und das Publikum rund um München begeisterte. Freundlicherweise stand sie für ein Interview zur Verfügung, um über diese beeindruckende Idee zu berichten.

Frage: Liebe Sabine, wann und wodurch ist die Idee zu dem Tanzprojekt „Fast Fashion“ entstanden? Wie wurde das Konzept entwickelt?

Antwort: Der Auslöser waren die Altkleiderberge in der Wüste in Chile, die 2022 durch die Medien gingen. Als ich das sah, dachte ich: Da muss man was machen! Weil ich Choreographin bin, kam mir natürlich gleich ein Kunstprojekt in den Sinn, ein Tanztheater. Mir war es wichtig, den Zwiespalt zu beschreiben, denn Mode ist für Menschen auch etwas sehr Schönes. Dadurch entsteht eben eine Fallhöhe zwischen den positiven Aspekten und dem Schrecklichen, was daraus entsteht.

Mir war sofort klar, dass ich junge Menschen auf der Bühne haben will, denn die betrifft es besonders. Sie haben oft wenig Geld, und diese Mode ist einfach unfassbar billig. Sie ermöglicht jungen Menschen, verschiedene Styles auszuprobieren, zu gucken, worin sie sich wohlfühlen. Das Bedürfnis ist legitim, aber die Billigkeit und Verfügbarkeit des Angebots ist eine Falle mit furchtbaren Auswirkungen.

Fast Fashion on Stage
Foto: J. Sternagel

Frage: Welche Unterstützung hattest du? Wie waren die Rahmenbedingungen?

Antwort: Zuerst habe ich den Musiker Daniel Lipp mit ins Boot geholt. Der war gleich begeistert und hatte Ideen für die Musik. Danach brauchte ich aber eine passende Förderung, um das Projekt zu finanzieren. Zum Glück gibt es hier durch die Stadt München die Förderung für Tanz und Theater mit Laien. Das passte genau. Ich habe den Antrag gestellt und es klappte.

Frage: Wie hast du die Tänzerinnen gefunden?

Antwort: Ich hatte bereits ein paar junge Leute im Blick, teilweise engagierten die sich schon bei Fridays for Future und gingen auch zu den Freitags-Demos. Es waren fünf Teenies, alle um die 16 damals, inzwischen sind sie schon über 18. Dazu habe ich noch eine Ausschreibung gemacht und zwei professionelle Tänzerinnen gewonnen, die kurz vor dem Abschluss ihres Studiums standen. Dadurch entstand eine tolle Mischung aus unverbildeten, spontanen Ideen und Energie, Durchhaltevermögen und Präzision. Außerdem kamen noch ein zweiter Musiker und eine Kostümbildnerin dazu.

Mit dieser Truppe fingen wir dann an und haben am ersten Abend erst einmal ein gemeinsames Brainstorming gemacht. Wir haben einfach aufgeschrieben, was wir alles schon wissen, und daraus die ersten Ideen entwickelt. Das inhaltliche Konzept haben wir gemeinsam erarbeitet. Für den Rahmen habe ich gesorgt: Räume, Technik, Requisiten – alles, was eben dazu gehört.

Frage: Welche Erfahrungen hast du bisher mit dem Projekt gemacht? Was waren die größten Herausforderungen?

Fast Fashion on Stage
Foto: Ulrike Seiffert

Antwort: Die größte Hürde waren wirklich die Kleiderberge auf der Bühne. Wir haben natürlich nichts Neues gekauft, sondern nach gebrauchter Kleidung gesucht. Nach dem ersten Aufruf hatten wir sofort Berge an Spenden – das war unglaublich. Melina Poppe, die Kostümbildnerin, hat für uns aus diesem Second Hand Fundus wunderbare Styles zu den verschiedenen Szenen gezaubert. Diese vielen Klamotten stellten wirklich ein Problem da. Zum einen mussten wir eine Struktur finden, um tänzerisch damit umzugehen. Einige der Kleidungsstücke wurden dann wie ein roter Faden, der sich durch das ganze Stück zieht. Aber auch hinter der Bühne bedeuteten die Kleiderberge eine Menge Arbeit: Sie mussten transportiert, geschleppt, gereinigt werden. Es ist unglaublich, was für ein Gewicht Kleidung hat.

Frage: Fast Fashion ist ein schwieriges Thema, weil das aktuelle Konsumverhalten sich ja in vielfältiger Hinsicht schädlich auswirkt. Wie sind die jungen Tänzerinnen mit der Problematik umgegangen? Fand im Rahmen des Projektes eine Auseinandersetzung mit der Klimakrise statt?

Antwort: Natürlich schwingt das Thema „Klimakrise“ immer mit, auch wenn wir es nicht ununterbrochen thematisiert haben. Eine unserer Szenen beschreibt die Reise einer Jeans, zeigt also, wieviel CO2 produziert wird von der Herstellung bis zu dem Moment, wenn sie auf dem Müll landet. Es taten sich auch immer wieder neue Aspekte auf. Zuerst beschäftigten wir uns mit H&M und Zara und waren schon über den rücksichtslosen Umgang mit Mensch und Natur entsetzt. Aber dann tauchte der Online-Handel-Riese „Shein“ auf, und wir dachten, das kann jetzt nicht wahr sein. Wir haben immer neue Infos gefunden, die erschreckend und unglaublich waren.

Wenn wir Dokus geschaut haben, brauchten wir zwischendurch eine heiße Schokolade, um alles zu verarbeiten. Die jungen Leute haben dann auch eine Veränderung bei sich gespürt: Sie waren auch vor dem Projekt nicht die großen Shopper, aber jetzt kaufen sie nur noch neue Sachen, wenn es nicht anders geht und der unreflektierte Einkauf der Menschen ärgert sie. Ihr Bewusstsein hat sich geschärft.

Frage: Wie soll es nun weitergehen? Was sind die Pläne für die Zukunft?

Antwort: Im Herbst 2025 würde ich gerne bei verschiedenen Veranstaltungen und geeigneten Aktionen eine Kurzversion unseres Tanztheaters zeigen. Wir waren zum Beispiel beim Kleidertausch von Green City dabei, das ist dann ein ganz anderes Publikum, also Leute, die nicht gezielt kommen, um ein Tanztheater zu sehen. Da kann unser Stück noch einmal ganz anders wirken, denn es ist direkt, emotional und ohne Text. Es erreicht die Menschen auf einer anderen Ebene als ein Text, der schnell wieder vergessen ist.

Wir haben mit dem Publikum Nachgespräche gehabt, da kamen schon interessante Äußerungen. Eine meinte: „Fast Fashion ist wie Chips-Essen, reinstopfen und weg.“ Eine andere sagte: „Man weiß es ja eigentlich, aber jetzt hat es mich wirklich getroffen.“ Für 2026 planen wir dann die Wiederaufnahme und eine Tour des ganzen Stücks.

Frage: Wenn Menschen nun neugierig geworden sind und die Tanzgruppe gerne auch in ihrer Stadt mal sehen würden, welche Möglichkeiten gäbe es? Können sie Kontakt aufnehmen?

Antwort: Einfach anrufen, dann können wir gerne schauen, was am Besten passt. Greenpeace hat uns übrigens sehr unterstützt und uns Filme für das Stück zur Verfügung gestellt. Deshalb würden wir natürlich unglaublich gerne auch mal in Hamburg auftreten. Ansonsten kann ich meine Homepage empfehlen. Dort gibt es auch Bühnenfotos und einen Trailer (sabinekarb.de oder: sabinekarb.de/choreografie/fastfashion).

Der ist sehr sehenswert, das kann ich bestätigen. Liebe Sabine, vielen Dank für die vielen Infos und für dein tolles Engagement.

Rike,
Newsletter-Redaktion