Meine Tochter lernte im Danni klettern – und ich genderkorrekte Sprache
Im Mai zog meine Tochter in den Dannenröder Wald, um dessen Rodung und den Weiterbau der A49 zu verhindern und sich für eine grundsätzliche Verkehrswende in Deutschland einzusetzen. Ich fand das natürlich gut!
Als langjähriger Bürger Stadtallendorfs, das direkt an der Autobahntrasse liegt, unterstütze ich seit etwa 30 Jahren den Widerstand und empfinde mich seit Beginn der Waldbesetzung im September 2019 als Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung. Als pensionierter Lehrer habe ich meinen Zweitwohnsitz im September in das Dorf Dannenrod verlegt.
Meine Tochter war, ebenso wie ich, beeindruckt von der solidarischen Atmosphäre in der Waldgemeinschaft und der dort gelebten Überzeugung: Wald statt Asphalt! Danni bleibt! Sie erlernte das Klettern – ich lernte genderkorrekte Sprache. Sie ging containern – ich musste mich an ihren neuen Waldnamen gewöhnen und sollte nicht zu gesprächig sein. Sie warb wochenlang in ganz Deutschland für eine Verkehrswende – ich übernahm regelmäßig die Versammlungsleitung für eines unserer Danni-Camps.
Ende der Idylle
Nach kalten Tagen und Nächten im Wald fand sie bisweilen einen warmen Unterschlupf in meinem Dannenröder Zuhause. Wenn ich nach anstrengender Waldschicht heimkam, hatte sie dort schon mal für mich gekocht. Tag für Tag trafen wir beide viele tolle Menschen und hatten Begegnungen, die uns reicher machten. Unsere Danni-Familie, dieser bunte Haufen so unterschiedlicher Menschen, wuchs mehr und mehr zusammen. Das war ein Geben und Nehmen. Wir alle haben sehr viel voneinander gelernt.
Vor der Räumung im Danni haben wir zwei am südlichen Waldrand, unweit von ihrem Baumhaus in der Sonne gelegen und die herbstliche Schönheit an diesem besonderen Ort genossen. Doch bald war es vorbei mit der Idylle: Eben an diesem Südrand des Waldes baute die Staatsmacht ihr sogenanntes „Logistikzentrum“, von dem aus sie mit Polizei- und Maschinengewalt in den Wald einbrach. Das Zuhause meiner Tochter fiel als erstes. Sie wurde festgenommen und landete in der Gefangenensammelstelle.
Innerhalb und außerhalb der Sperrzone musiziert
Doch die Räumung sollte noch weitere vier Wochen dauern. Meine Tochter saß wie viele andere immer wieder in den Bäumen, bedroht von Räumung und unverantwortlichen Baumfällarbeiten, die unter Nicht-Beachtung der vorgeschriebenen Sicherheitsabstände erfolgten. Ich saß unten – in Reichweite – mit meiner Trommel, meinem Gesang und oft auch anderen Musiker:innen, um die
Besetzer:innen zu unterstützen. Oft wurden wir als erstes abgeräumt und haben dann außerhalb der Sperrzone weiter solidarisch musiziert.
Solange die Polizei nicht da war, hielt ich auch schon mal den jungen Baum fest, den sie gerade besteigen wollte. Zu jeder Zeit haben wir uns gegenseitig ergänzend unterstützt. Für das gemeinsame Ziel einer Verkehrswende und eines Systemwandels – weg vom kapitalistischen ausgrenzenden Denken, hin zu einem solidarischen Handeln für eine Gesellschaft, in der jedes Wesen einen gewertschätzten Platz hat. In all den Wochen der Räumung haben wir viel Polizeigewalt erfahren und gesehen und sind in der medialen Öffentlichkeit immer wieder als Gewalttäter:innen diffamiert worden. Wenn meine Tochter eine „Öko-Terroristin“ wäre, weil sie Bäume mit ihrem Körper beschützt, dann wäre ich ein „Öko-Terrorist“. Denn ich halte die Bäume, auf denen sie sitzt.
Gemeinsam sind wir ein ganz starkes Team und sehr stolz aufeinander, denn: Klima schützen ist kein Verbrechen! Klima schützen ist verantwortungsvolles Handeln!