EU-WAHLRÜCKBLICK UND WAS JETZT?

EU-Wahlrückblick - und was jetzt?

erschienen im Parents-Newsletter #34 (Juni 2024)

Die Ergebnisse der Europawahlen und der deutliche Rechtsruck sind für viele ein Schock. Dieser Rechtsdrift zeigt sich nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen europäischen Ländern. Diese nationalen rechten Tendenzen sind beunruhigend, denn sie schwächen nicht nur Europa, unsere Demokratie und unseren Wohlstand, sondern behindern auch die dringend notwendigen Klimaschutzmaßnahmen.

Nur  noch kurz die Welt retten

Wir fragen uns, wie es gerade in Deutschland dazu kommen konnte. Haben wir nicht aus unserer Geschichte gelernt? Wie kann die AfD trotz Fake News, Desinformationen, Bedenken des Verfassungsschutzes, dubiosen Kontakten einiger ihrer prominenter Mitglieder mit China und Russland, nach ausländerfeindlichen Treffen und Feiern wie in Potsdam und auf Sylt ein solches Ergebnis erzielen?

Und es sind ja nicht nur die jungen Menschen zwischen 16 und 24 Jahren, bei denen die AfD punkten konnte, auch wenn der Prozentsatz von 17 % in dieser Altersgruppe unvermutet hoch ist. Die AfD konnte offensichtlich u. a. Wünsche nach Zugehörigkeit bedienen, aus der Unzufriedenheit mit der Regierung sowie wirtschaftlicher und sozialer Unsicherheit Kapital schlagen und mit populistischen ausländerfeindlichen Lösungen punkten. Zudem hat die AfD es als erste Partei geschafft, die Social- Media-Plattform TikTok strategisch zu bespielen und damit eine große Reichweite aufgebaut. Leider sind es auch nicht nur Protestwähler, die rechtsextrem gewählt haben. Laut der Forschungsgruppe Wahlen unterstützen 70 % der AfD-Wähler tatsächlich die Forderungen der Partei. Natürlich war die Europawahl aber auch eine Gelegenheit, der Bundesregierung einen Denkzettel zu verpassen.

Es ist erschreckend, wenn man sich die Gefahren, die von der AfD ausgehen, genauer anschaut: u. a. Polarisierung und soziale Spaltung durch fremdenfeindliche Rhetorik und Forderungen, Schwächung der Demokratie durch Angriffe auf Institutionen und Rechtsstaatlichkeit, außenpolitische Isolation durch anti-europäische Einstellungen, ablehnende Haltung zu Frauenrechten. Auch wirtschaftlich könnten Forderungen wie ein Euro- Austritt Instabilität verursachen und Deutschlands Wirtschaftskraft schädigen, ebenso wie die Ausländerfeindlichkeit in Zeiten von Arbeitskräftemangel. Die Verbindung zur rechtsradikalen Szene und deren ‚Normalisierung‘ erhöht zudem die Gefahr einer weiteren Zunahme von Hassverbrechen. Und: Mit der AfD wird wohl kaum ein Fortschritt im Kampf gegen den Klimawandel zu erreichen sein…

Aber Engagement dagegen lohnt sich!

Immerhin haben friedliche Proteste und der Dialog mit den Menschen etwas bewirkt. Die vielen Hunderttausende Demonstranten Anfang des Jahres haben sicher dazu beigetragen, dass die 23 %, die die AfD im Januar gewählt hätten, auf 16 % bei den EU-Wahlen im Mai gesunken sind. Damit haben mehr als fünf Sechstel der Wähler andere Parteien gewählt. Es lohnt sich also, sich zu engagieren.

Natürlich sind wir besorgt über diese Entwicklung, aber Aufgeben ist keine Option. Die übergroße Mehrheit hat für den Erhalt der Demokratie gestimmt – und wir danken allen, die demokratisch gewählt haben! Wir brauchen uns alle, um unsere Demokratie zu schützen.

Und wie geht es jetzt weiter?

Wir sollten weiter Einfluss nehmen und versuchen, die Wahlbeteiligung weiter zu erhöhen. Auch wenn diese besser war als bei den letzten Europawahlen, sind dennoch zu viele Menschen zu Hause geblieben und haben ihre Stimme verschenkt. Aber jede – wirklich jede – Stimme zählt. Jede nicht abgegebene Stimme ist eine verschenkte Stimme an die AfD.

Ein einfaches Rechenexempel: Wenn der absolute Anteil der AfD-Wähler gleich bleibt, aber mehr Menschen demokratisch wählen, sinkt der prozentuale Anteil der AfD. Zum Beispiel hätte die AfD bei den EU-Wahlen unter dieser Annahme bei einer Wahlbeteiligung von 90 % nur ca. 11 % – und nicht wie bei der Wahlbeteiligung von 65 % jetzt 16 % – der Stimmen im Endergebnis erhalten.

Deshalb: Nach der Wahl ist vor der Wahl! Dies gilt für die kommenden Landtagswahlen und die Bundestagswahl nächstes Jahr. In den 1970er Jahren hatten wir eine Wahlbeteiligung bei der Bundestagswahl von über 90 %. Lasst uns da wieder hinkommen und den politischen Diskurs gemeinsam gestalten. Es gibt viele Wege, die Wahlbeteiligung zu erhöhen, und wir brauchen euch alle aktiv! Sprecht mit Menschen in eurem Umfeld und motiviert sie, unsere Demokratie zu leben, sich zu engagieren und bei der nächsten Wahl demokratisch zu wählen! Geht auf Social Media und sagt eure Meinung. Informationskampagnen, Veranstaltungen und Debatten können das Bewusstsein für die Bedeutung von Wahlen und die Auswirkungen politischer Entscheidungen auch erhöhen. Sie fördern Interesse und Engagement der Bürger*innen.

Geht weiter mit uns auf die Demos für Klimaschutz und Demokratie. Stärkt die Einigkeit unserer Bewegung und unterstützt euch untereinander. Zeigt, wie konstruktiver demokratischer Diskurs funktioniert und dass politische Partizipation ein Privileg ist, das wir schützen müssen! Wählen ist eine der einfachsten und zugleich wirkungsvollsten Methoden, um politischen Einfluss zu nehmen und unsere Demokratie zu schützen. Wer nicht zur Wahl geht, verzichtet auf diesen Einfluss. Nur in der Demokratie können wir darüber diskutieren, welche Wege und Lösungen sinnvoll sind, um unsere und die Lebensgrundlagen kommender Generationen zu schützen.

 

Helmut Weber, P4F Germany