Kein Wasserstoff in der kommunalen Wärmeplanung!
Wie läuft die H2-Kampagne vor Ort?
erschienen im Parents-Newsletter #33 (Mai 2024)
Das Umweltinstitut München (UIMünchen) und GermanZero haben im März eine breit angelegte Kampagne gestartet, um zu verhindern, dass im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung Wasserstoffnetze für die Gebäudeheizung ausgewiesen werden (siehe Beitrag im Parents-Newsletter #32 (März 2024)).
Mit der H2-Kampagne werden zwei unterschiedliche Akteure adressiert: Primär wendet sie sich an politische Entscheidungsträger in den Kommunen sowie an Verantwortliche bei den lokalen Energieversorgern (zumeist Stadtwerke). Sie entscheiden letztlich, ob im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung Wasserstoff für die dezentrale Gebäudeheizung vorgesehen wird. Daneben wird mit der Kampagne auch die breite Öffentlichkeit sensibilisiert. Sie wird auf die klimatischen und vor allem finanziellen Risiken hingewiesen, die mit der Hinwendung zu Wasserstoff-Heizungen in Wohngebäuden verbunden sind. Schon die Hoffnungen, die in den Einbau einer neuen "H2-Ready"-Gasheizung gesetzt werden, müssen kritisch hinterfragt werden (siehe unten).
Im Rahmen der H2-Kampagne hat sich das UIMünchen mit Informationen und einem offenen Brief an alle Bürgermeister*innen Deutschlands gewandt. Lokal haben Gruppen und Aktionsbündnisse Forderungen an ihre Bürgermeister*innen und weitere politische Akteure gerichtet, teils verbunden mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen. Auch einige P4F-Gruppen waren hier aktiv. Im Folgenden sollen einige Aktionen vorgestellt werden.
Parents for Future-Gruppen aktiv vor Ort
Das Klimabündnis Chemnitz, an dem P4F Chemnitz beteiligt ist, hat sich mit einer Pressemitteilung und einem eigenen Positionspapier an die Politik und die Medien gewandt. "Leider gab es kein Echo in der Presse. Die lokale Situation ist schwierig, denn der Chemnitzer Energieversorger eins Energie, der regionale Lobbyverband Hzwo und die Stadt sind auf einen Anschluss ans Wasserstoffkernnetz aus." Das Positionspapier setzt sich detailliert mit den Gegebenheiten in Chemnitz auseinander und dürfte eine gute Basis für weitere Aktivitäten sein.
In Bonn haben bei einem Pressetermin Parents4Future und Scientist4Future gemeinsam mit dem Netzbetreiber Bonn-Netz auf die untergeordnete Rolle von Wasserstoff für die kommunale Wärmeplanung aufmerksam gemacht. S4F Köln/Bonn haben zudem eine ausführliche Stellungnahme zum offenen Brief der H2-Kampagne verfasst. Dem guten Kontakt zu Bonn-Netz gingen seit 2019 regelmäßige – zunächst sehr zähe – Gespräche voraus. Unterschiedliche Vorstellungen gibt es weiterhin hinsichtlich des Einsatzes von Wasserstoff bei der Umstellung der Wärmenetze weg vom Erdgas.
Wie wichtig medienwirksame Übergaben für die öffentliche Wahrnehmung sind, zeigen die Erfahrungen in einigen Städten, wo das reine Verschicken von Pressemitteilungen an Politik und Medien keine Resonanz in den Medien gefunden hat. Die positiven Erfahrungen in Bonn wiederum zeigen, wie wichtig das Knüpfen und Pflegen von Kontakten zu Politik und Energieversorgern ist. Politiker*innen und selbst Verantwortliche in den kommunalen Versorgungsbetrieben, die häufig den Auftrag für die Erstellung eines Wärmeplans für die Kommune erhalten, sind oft schlecht über die Implikationen eines Einsatzes von Wasserstoff informiert, was sie entsprechend anfällig für die Botschaften von Lobbyisten der Gasindustrie macht.
Werkzeugkasten und Werkstattreihe
Das UIMünchen stellt umfangreiche Materialien für die H2-Kampagne auf ihrer Aktionsseite bereit. Es bietet zudem einen "Werkzeugkasten für lokal Aktive" und eine online-Werkstattreihe an. Diese ist bereits gestartet, man kann sich ihr aber noch anschließen (Anmeldung auf der Werkzeugkasten-Seite). Die Werkstattreihe liefert Detailinformationen zum Prozess und zu den Inhalten der kommunalen Wärmeplanung und bereitet auf Gespräche mit den Verantwortlichen vor Ort vor. Kontakt zum UIMünchen könnt ihr über klimawende[at]umweltinstitut.org aufnehmen. GermanZero hat ein Wiki zu den 7 Schritten zur Wärmeplanung mit praktischen Handlungstipps erstellt.
H2-Ready-Gasheizungen
Entgegen dem Wortklang ist eine H2-Ready-Gasheizung keineswegs für den Betrieb mit 100 % Wasserstoff geeignet. „H2-Ready“ ist ein Siegel des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW), welches bestätigt, dass ein Gas-Heizkessel für den Einsatz von Wasserstoff geeignet ist; genauer, dass der Kessel auch dann funktioniert, wenn bis zu 20 Vol. % Wasserstoff zum Erdgas hinzugefügt werden. Es gibt Zusagen von einigen Herstellern, dass ihre H2-Ready-Gasheizungen auf 100 % Wasserstoff umrüstbar seien. Zu beachten ist auch, dass sich das Siegel auf VOLUMEN-Prozent bezieht. Wegen des geringen Heizwerts von Wasserstoff entspricht eine Beimischung von 20 Vol. % Wasserstoff zum Erdgas lediglich einem Heizwertanteil von 7,4 %. Ob die H2-Ready-Heizungen jemals mit Wasserstoff versorgt werden, ist völlig offen. Notwendig wäre zumindest eine Umrüstung des Kessels. Bis dahin kann die Gasindustrie weiterhin ihr Erdgas verkaufen und ihre Netze nutzen. Eine frühzeitige Umstellung auf eine effiziente und klimaneutrale Technologie (siehe Abb.) würde damit vermieden.
Wolfgang Schöllhammer, OG Mainz
Weitere Informationen
- Umweltinstitut München: Rechtsgutachten bestätigt: Kommunale Wärmeplanung mit Wasserstoff ist derzeit nicht verantwortbar
- 19.06.2024 Volksverpetzer: Die FDP hat heimlich Wasserstoff-Heizungen beerdigt & keiner hat’s gemerkt