Klimaentscheid Darmstadt

Klimaentscheid Darmstadt

von Katharina Blau, Parents for Future Darmstadt
erschienen im Newsletter #18 (29. April 2022)

Aufbruchstimmung herrschte an diesen Frühlingstagen des Jahres 2019 in Darmstadt. Fridays For Future bestimmte immer wieder die Berichterstattung in den lokalen Medien, zentrale Forderungen des eigentlich abgelehnten Radentscheids wurden von der Stadtpolitik beschlossen und in den Köpfen von drei jungen Leuten reifte die Idee, von der Stadt ganz konkrete Schritte für mehr Klimaschutz zu fordern.

Unterschriftensammlung auf dem Luisenplatz in Darmstadt
Unterschriftensammlung auf dem Luisenplatz in Darmstadt

Schnell war klar: Nichts weniger als „Klimaneutralität bis zum Jahr 2030 für Darmstadt“ sollte das Thema des Bürgerbegehrens sein. Aber damit begannen auch die Herausforderungen. Bisher waren nahezu alle Bürgerbegehren in Hessen abgelehnt worden. Bisher gab es in Deutschland lediglich Bürgerbegehren, die sich auf konkrete Einzelmaßnahmen beschränkten, wie beispielsweise die Abschaltung eines Kohlekraftwerks. Und bisher gab es auch kein Bürgerbegehren mit dem Ziel der Klimaneutralität. Dennoch wollte die Gruppe den Versuch wagen, ein ganzes Maßnahmenpaket zur Abstimmung zu bringen.

Also nahmen sie Kontakt auf zum Team vom „Radentscheid“ und ließen sich beraten. Sie vernetzten sich mit Expert*innen aus verschiedenen Bereichen, sprachen etwa mit den Scientists For Future über die Notwendigkeiten in den Sektoren Verkehr, Energie und Gebäude, fragten einen Experten für die Wärmewende aus Heidelberg und holten eine Umweltjuristin an Bord. Gleichzeitig vergrößerten sie das Team – durch neue Mitstreiter*innen von Parents For Future und anderen Gruppen der Klimagerechtigkeitsbewegung.

Draußen wurde es Sommer, die Bäume in der Stadt ächzten unter der Trockenheit und die 36 Grad Celsius auf dem Thermometer machten dem Team, welches sich nun „Klimaentscheid Darmstadt“ nannte, ganz unmissverständlich klar: Wann, wenn nicht jetzt? Und so wagten sie das Neue: den ersten sektorenübergreifenden Klimaentscheid Deutschlands.

Über die Webseite klimaentscheid-darmstadt.de, in verschiedenen Sammelstellen und bei den immer wieder durchgeführten Sammelaktionen auf den Straßen wurden Unterschriftenlisten ausgegeben und die Bürger*innen Darmstadts zum Unterschreiben motiviert. Den Großteil der Unterschriften brachten dann aber die beiden Klimastreiks im September und Ende November 2019, bei denen viele Engagierte mit Klemmbrettern die Demoteilnehmer*innen direkt ansprachen. Schlussendlich kamen so 5400 Unterschriften zusammen, die im Dezember an den Oberbürgermeister Jochen Partsch übergeben wurden.

Das Team des Klimaentscheids beim Auszählen der Unterschriften
Das Team des Klimaentscheids beim Auszählen der Unterschriften

Die Voraussetzung für die rechtliche Prüfung war damit erfüllt. Wie schon der „Radentscheid“ wurde allerdings auch der „Klimaentscheid“ – wegen Corona erst 10 Monate nach Übergabe der Unterschriften – aus formalen Gründen für unzulässig erklärt. Überraschend war das nicht, sind doch die rechtlichen Hürden für Bürgerbegehren in Hessen weit höher als in anderen Bundesländern. Aber jetzt gab es erstmals konkrete Maßnahmenpakete für das Fernziel Klimaneutralität – und unter dem Eindruck der Ergebnisse der Unterschriftensammlung wurde tatsächlich ein Teil der Forderungen in konkrete Schritte überführt.

Ebenso große Bedeutung hat für das Klimaentscheid-Team die Tatsache, dass es von der Stadtpolitik nun als außerparlamentarische politische Kraft akzeptiert ist. So fanden und finden immer wieder Gespräche mit der Verwaltung, den politischen Fraktionen und dem Oberbürgermeister statt. Auch ist die Gruppe jetzt im neu gegründeten Klimaschutzbeirat vertreten und einzelne Mitglieder aus dem Team wurden bei der Kommunalwahl 2021 über die Liste der stärksten Fraktion in die Stadtverordnetenversammlung gewählt, wo sie nun direkt als Teil der Stadtpolitik den Klimaschutz in Darmstadt voranbringen können.

Flyer