Bürgerbegehren – so geht's

Zukunft passiert nicht, sie wird gemacht – von uns allen!

Mit Bürger*innenbegehren Klimaschutz selbst in die Hand nehmen

Das Kohlekraftwerk abschalten? Den Stadt- oder Gemeinderat verpflichten, endlich einen Klimaschutzplan zu verabschieden? Die Fahrrad-Infrastruktur verbessern? Machen wir!

von Johanna Gefäller und Stephan Barlag, OG Hannover und aktiv bei der Initiative „hannover erneuerbar“
erschienen im Newsletter #16 (Februar 2022)

Mit dem direktdemokratischen Instrument der Bürger*innenbegehren können wir als Bürger*innen selbst kommunalpolitische Entscheidungen herbeiführen. Menschen verschiedenster Initiativen haben gerade in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, wie effektiv mittels Bürger*innenbegehren und -entscheiden ein Wandel in den Städten gestaltet werden kann – sei es durch die zahlreichen erfolgreichen Radentscheide, durch Klimaentscheide oder Kampagnen zu lokalen Kohleausstiegen. Sogar dann, wenn die politischen Entscheidungsträger*innen auf der Bremse stehen. Denn im Gegensatz zu Petitionen, die letztlich nur „Appell-Charakter“ besitzen, können wir mit Bürger*innenbegehren verbindliche Entscheidungen auf kommunaler oder Landesebene (dann heißt es meist Volksbegehren und -entscheid) erreichen.

Auftaktveranstaltung "hannover erneuerbar"
Auftaktveranstaltung "hannover erneuerbar"

Aller Anfang ist eine gut formulierte Fragestellung. Die möglichen Themen für ein Bürger*innenbegehren sind breit gestreut. Grundvoraussetzung ist unter anderem, dass die Abstimmungsfrage in der (alleinigen) Zuständigkeit der jeweiligen Kommune liegt. Je nach konkreter Situation sind also neben den bereits erwähnten Inhalten bspw. auch Solarentscheide, die Rekommunalisierung von Wärmenetzen oder die Verpflichtung Eurer Stadtwerke auf 100% Ökostrom denkbar. Vielleicht mögt Ihr einmal durchspielen: Was sind bei Euch vor Ort die größten Hebel zur Reduktion des CO2-Ausstoßes? (Wie) könnt Ihr dort ansetzen? Welches Thema liegt Euch besonders am Herzen? Worum lassen sich gute Narrative entwickeln?

Einige Regeln, wie etwa die Zustimmungsquoren für Bürger*innenbegehren und -entscheide, unterscheiden sich je nach Bundesland (Informationen dazu findet Ihr über den untenstehenden Link), grundsätzlich setzt sich der Prozess aber immer aus zwei Stufen zusammen:

Wenn Ihr eine Abstimmungsfrage für Euer Begehren entwickelt und eingereicht habt und ggf. die Zulässigkeit vorab geprüft wurde, könnt Ihr mit dem Sammeln der Unterschriften beginnen. In diesem ersten Schritt (Bürger*innenbegehren) unterschreiben kommunalwahlberechtigte Menschen, dass sie einen Bürger*innenentscheid zu Eurer Frage beantragen.

Habt Ihr ausreichend gültige Unterschriften im vorgeschriebenen Zeitraum gesammelt, so können die politischen Entscheidungsträger*innen entweder die Forderungen direkt umsetzen, oder aber sie sind verpflichtet, einen Bürger*innenentscheid durchzuführen.

In diesem zweiten Schritt können dann alle kommunalwahlberechtigten Bürger*innen über die Frage abstimmen. Ein erfolgreicher Bürger*innenentscheid besitzt die Verbindlichkeit eines Stadtratsbeschlusses – wir können auf diesem Wege also tatsächlich Klimaschutz ein Stück weit selbst in die Hand nehmen!

Vertragsunterzeichnung
Unterzeichnung der Vereinbarung zur Wärmewende – von links nach rechts: Oberbürgermeister Belit Onay, Vorstandsvorsitzende der enercity AG Dr. Susanna Zapreva, Johanna Gefäller und Stephan Barlag ("hannover erneuerbar")

Die Wirkmacht von Bürger*innenbegehren speist sich also zum einen daraus, dass sie rechtsverbindliche Entscheidungen herbeiführen können.

Zum anderen eröffnen sie oftmals neue Diskurs- und Möglichkeitsräume: Das Thema des Begehrens wird in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt und eine Diskursverschiebung erreicht, Politiker*innen geraten unter Zugzwang oder bekommen vielleicht Rückenwind, um bestimmte Positionen durchzusetzen, neue Bündnisoptionen können sichtbar werden und beim Sammeln der Unterschriften werden klimapolitische Themen in alle Ecken und Winkel der Stadt getragen.

Zahlreiche Begehren werden schon umgesetzt, bevor es überhaupt zum Entscheid kommt, einige sind im Entscheid erfolgreich und wieder andere Initiativen setzen ihre Forderungen nach Verhandlungen im Schulterschluss mit Teilen der Politik und manchmal auch Wirtschaft um.

Die For-Future-Bewegung bringt sehr gute Voraussetzungen mit, um eine Kampagne für ein Bürger*innenbegehren erfolgreich zu gestalten: wir sind mobilisationsstark und fachlich gut aufgestellt – nicht zuletzt durch die Scientists for Future. Ja, es ist auch eine Menge Arbeit – aber die lohnt sich!

Ihr wollt in Eurer Ortsgruppe ein Begehren starten? Großartig!!! Ihr habt noch viele Fragen? Ging allen anderen auch so!

Unterschriftensammlun hannover erneuerbar
Unterschriftensammlung "hannover erneuerbar"

Schaut Euch um auf www.klimawende.org für weitere Informationen und viele Mut machende Beispiele. „Klimawende von unten“ ist ein gemeinsames Projekt vom Umweltinstitut München, Bürgerbegehren Klimaschutz und Mehr Demokratie e.V. – bei allen dreien gibt’s kompetente Beratung, sympathische Begleitung und überhaupt ganz viel Unterstützung. Wenn es Richtung Klimaentscheid geht, ist ggf. auch GermanZero die richtige Adresse für Euch.

In diesem Sinne: Ran an die Klemmbretter! Change is coming – whether they like it or not!