Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU)
Nachhaltig Studieren und in die Zukunft denken
erschienen im Parents-Newsletter #35 (Juli 2024)
Seit Herbst 2021 können Interessierte in Würzburg „Informatik und Nachhaltigkeit“ studieren. Deutschlandweit einzigartig, bietet die JMU diesen neuen Bachelor-Studiengang an und adressiert damit wichtige Zukunftsthemen.
„Die Menschheit braucht Nachhaltigkeitsstrategien, um ihre Lebensgrundlagen auf der Erde möglichst gut zu erhalten.“ Davon ist die Universitätsleitung überzeugt. Der Studiengang vermittelt Wissen zum ökologischen Fußabdruck von IT-Systemen und IT-Infrastruktur; aber auch, wie diese ressourcensparend gestaltet und im Dienste der Nachhaltigkeit eingesetzt werden können – Stichwort Green IT. Hinterlassen doch die weltweiten digitalen Aktivitäten einen großen ökologischen Fußabdruck, denn Serverfarmen und andere Rechenzentren verbrauchen sehr viel Energie.
Informatik ist heute weit mehr als nur der Bau und die Programmierung von Rechenmaschinen. Ihre Verfahren und Hilfsmittel – wie Methoden des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz, Simulation und Optimierung – sind aus Industrie, Technik und Wirtschaft nicht mehr wegzudenken. Auch in vielen Bereichen der Wissenschaft, z. B. Klimaforschung, Fernerkundung oder Biologie, ist Informatik ein wichtiges Handwerkszeug, auch wenn sie dort nicht im Fokus steht. Ganz allgemein werden Informatik-Kenntnisse immer wichtiger, um drängende gesellschaftliche Themen wie Klimawandel, Umweltschutz und Nachhaltigkeit anzugehen.
Konkret heißt das: Im Studium werden die wichtigsten Methoden der Informatik vermittelt. Daneben sind gesellschaftlich, wirtschaftlich und ethisch relevante Themen zu Umwelt und Nachhaltigkeit integriert. Ein Thema ist dabei, wie IT-Systeme und IT-Infrastruktur energieeffizienter und nachhaltiger gestaltet werden können.
Auf der anderen Seite erfahren Studierende, wie die Informatik im Umweltbereich zu nachhaltigen Ansätzen führen kann. Nützlich können hier digitale Tools sein, etwa für die Klimamodellierung oder die intelligente Steuerung des Straßenverkehrs.
Inhalte des Kernstudiums
Auf dem Stundenplan stehen beim Informatikteil vor allem Algorithmen, Datenstrukturen, Softwareentwicklung, Rechnernetze, Datenbanken, Data Mining, Modellierung, Simulation und Optimierung. Wie im Informatikstudium wird auch im Studiengang „Informatik und Nachhaltigkeit“ Wert auf mathematische Grundlagen gelegt. Daneben finden sich auch Veranstaltungen zu Ethik sowie dazu, wie Nachhaltigkeit überhaupt gemessen werden kann.
Vertiefung in Geographie oder Biologie
Die Erdbeobachtung sammelt große globale Datensätze zur Oberfläche unseres Planeten. Mit der fortschreitenden technologischen Entwicklung werden diese Datenmengen immens steigen. Dabei erfassen die Satelliten Daten, z. B. für die Klimamodellierung oder zu den Veränderungen auf unserem Planeten, etwa zur Entwaldung oder Wüstenbildung.
Solche Daten werden an der JMU an den Lehrstühlen für Fernerkundung und für Physische Geographie (Schwerpunkt Klimatologie) ausgewertet und zu Landkarten aufbereitet. Die Karten bilden eine Basis, um negative Effekte zu erkennen und gegensteuern zu können.
Die Grundlagen der Fernerkundung oder der Klimatologie können die Studierenden im neuen Bachelor kennenlernen, wenn sie die entsprechenden Vertiefungsfächer wählen.
Als Vertiefungsfach ist auch Biologie möglich. Im Biozentrum der JMU fallen ebenfalls massenhaft Daten an, die es möglichst effizient auszuwerten gilt – etwa bei ökologischen Forschungen, die sich um das Insektensterben oder den Erhalt der Artenvielfalt drehen. Wie zum Beispiel wirken sich der Klimawandel oder Pflanzenschutzmittel auf die Sinnesleistungen und das Gehirn von Insekten aus? Das lässt sich messen, und bei der Auswertung der Daten spielen Verfahren des maschinellen Lernens eine Rolle.
Vertiefung in „Nachhaltiger IT“
Alternativ zu den Vertiefungen in Biologie oder Geographie können die Studierenden den Schwerpunkt „Nachhaltige IT“ wählen und mehr darüber lernen, wie man IT-Systeme nachhaltig gestaltet, wie man Software- und Kommunikationssysteme möglichst energieeffizient, langlebig, zuverlässig und sicher machen kann. Anwendungsmöglichkeiten gibt es viele, man denke nur an Rechenzentren, Verkehrsleitsysteme oder Produktionsanlagen der Industrie. Zusätzlich stecken heute „kleine Rechenzentren“ in jedem Auto.
Aber auch weitere methodische Vorlesungen oder Vorlesungen zu den Themen Energie oder Mobilität können in dieser Vertiefungsrichtung besucht werden.
Problemorientierte Lehre
Das Studium bietet weiterhin die Möglichkeit, die Themen der Nachhaltigkeit in realen Projekten umzusetzen. In der Veranstaltung „Umweltbeobachtung“ wird das Prinzip des problemorientierten Lernens angewendet, bei welchem die theoretischen Inhalte aus der Vorlesung auf ein Praxisprojekt übertragen werden. In den letzten Semestern haben die Studierenden ein Lastenrad mit verschiedenen Sensoren ausgestattet, um die Umweltparameter in einer urbanen Umgebung aufzuzeichnen. Mit Temperatursensoren können Hitzeinseln detektiert werden, eine multispektrale Kamera zeichnet den Zustand der Stadtvegetation auf. Weitere Sensoren zeichnen umfassende Datensätze auf, die zum Beispiel für nachhaltige Stadtplanung genutzt werden können. Das Studium zeigt so die vielen Facetten der Nachhaltigkeit auf und vermittelt wichtige Inhalte für eine spätere Berufswahl.
Und nach dem Bachelor?
Die Berufsaussichten für Informatikerinnen und Informatiker sind unverändert gut. Die IT-Branche wächst stetig, Fachleute sind nach wie vor sehr gefragt. Spezialkenntnisse in Sachen Nachhaltigkeit und in den Anwendungsgebieten Biologie oder Geographie dürften bei Bewerbungen zusätzliche Pluspunkte bringen.
Wer nach dem Bachelor weiterstudieren will, kann sich an der JMU für die Masterstudiengänge Informatik, Luftund Raumfahrtinformatik oder eXtended Artificial Intelligence (englischsprachig) bewerben. Für Studierende, die sich insbesondere für die Kombination Informatik und Geographie interessieren, ist auch der Masterstudiengang Applied Earth Observation and Geoanalysis sehr interessant.