Eindrücke aus dem Dannenröder Forst
Nachfolgend ein paar ganz subjektive Impressionen rund um das Danni-Camp.
Samstag, 3. Oktober
Es trudeln immer mehr Menschen ein - viele junge, aber auch ältere Semester wie ich. Gibt ein größeres und ein kleineres Zeltcamp (nicht offiziell, aber niemand weiß wohl, wem die Wiese gehört; könnte also jederzeit geräumt werden), auf einer Bühne macht gerade ein Band Soundcheck, viele bringen Dinge von der Danni-Wunschliste mit. Die Küche sieht gut gefüllt aus, es gibt Mittag und Abendessen und jetzt schippeln und spülen bestimmt 20 Menschen gleichzeitig.
Im Wald wird fleißig weiter gebaut, emsiges Treiben überall, technisches Equipment und Essen wird durch den Wald transportiert. Die Baumhäuser haben tw. beachtliche Ausmaße und Infrastruktur. Sie tragen Namen wie "Nirgendwo", "Woanders", "Unterwex" - es gibt sogar eine Karte. Auf den Waldwegen stapeln sich kleine und große Barrikaden aus dicken und dünnen Stämmen, dazwischen sog. Tripods. Überall wird geredet, diskutiert (u.a. über die Rolle der Grünen), du kommst ganz leicht mit anderen ins Gespräch. Die Stimmung ist, soweit ich das beurteilen kann, gut, aber gespannt. Die Übermacht von 2000 Polizisten und gigantischen Bulldozern, Hebebühnen etc. scheint vielen übermächtig. Einen ersten Eindruck bekamen die Menschen hier am gestrigen Freitag... Jetzt wird gerätselt, wo es Montagmorgen mit den Rodungen weitergeht...
Aber morgen ist erstmal die Großdemo - eine Mitorganisatorin von Campact meinte vorhin, sie rechne mit etwa 3000 Menschen. Und die Fridays haben aufgerufen, die hessischen Herbstferien hier im Danneröder Wald zu verbringen.
Ist einfach so unglaublich motivierend, wie viele Menschen hier voller Tatendrang organisieren, mitmachen und auch politisch sind... wie zum Beispiel auch diese jungen Deutsch-Rapper aus Frankfurt:
Am Abend gab's volles GänsehautFeeling: ein traumhafter Mond taucht auf. Eine SkaBand spielt ihre letzte Zugabe. Die Fahrraddemo aus Kassel mit mehreren Hundert Menschen fährt ins Camp ein und wird von begeisterten Sprechchören und mit einem warmen Abendbrot begrüßt. Dazu die Info, dass ein Dutzend von der Demo aus eine Baustelle auf der Autobahn besetzt hat. Und weitere Aktionen sind in Planung... es bleibt spannend...
Sonntag, 4. Oktober
Beginn der Danni-Kundgebung mit halbstündiger Verspätung, weil der Zustrom von Teilnehmern gar nicht enden wollte. Es sind Tausende... Was für eine unglaubliche, hoffnungsvolle Stimmung! Und es sind sogar 5000 Menschen.
Rodungstechnisch gibt es ja praktisch drei Wälder - los ging's am Freitag mit dem Herrenwald, da waren Aktivisten erst seit ein paar Wochen zugange. Soll aber ausgebaut und nicht kampflos aufgegeben werden. Der Danni ist jetzt schon lange und sehr professionell mit kleinen Baumdörfern, Seilkonstruktionen, Barrikaden ausgebaut worden. Das wird dauern...
Abgesehen von all dem: es ist einfach ein wunderbarer, ruhiger, lange natürlich gewachsener Mischwald, der scheinbar einem Adelsgeschlecht gehörte, die ihn aber unter Androhung von Enteignung verkaufte (wurde mir heute erzählt, ich hab's nicht gegengeprüft). Wobei es da wohl noch keine endgültige Einigung zwischen verschiedenen Familienzweigen gibt.
Montag, 5. Oktober
Kleine (fotografische) Momentaufnahme aus Hessen. Am Freitag startete die Rodung mit den sog. Harvestern im "Herri", den Herrenwald. Gestern dann die tolle Kundgebung am Danni Camp mit 5000 Menschen aus nah und fern. Das arbeitsfreie Polizisten-Wochenende war eine gute Gelegenheit für die Waldbesetzer, weitere Strukturen aufzubauen und Neuankömmlinge zu integrieren. Und es kommen immer mehr dazu, einige durfte ich inzwischen kennenlernen - viele junge, engagierte, intelligente, sympathische Menschen, die tageweise oder länger in den Wald gehen. Der aktuelle Hotspot ist der Maulbacher Wald (der Danni kommt möglicherweise erst zum Schluss dran).
Die Rodungsfläche ist weiträumig abgesperrt, es sind mindest 5 Hundertschaften allein an dieser Stelle im Einsatz. Auch Polizeipanzer sind zu sehen. Immer wieder begegnet man Kolonnen von bis zu 30 Mannschaftswagen, die mit Blaulicht durch die Orte fahren. Ein gespenstisches, Angst einflößendes Bild.
Es gibt aber immer wieder kleine, dezentrale Aktionen, die sofort ganze Hundertschaften binden. Mit jeder Aktion, mit jedem Tag wächst die mediale Aufmerksamkeit (wie ihr sicher auch mitbekommt:-) Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen hier - Einheimische wie Aktivisten aus ganz Deutschland, aber auch zunehmend international - das gegenseitige Mut machen, der Einsatz, die Hilfsbereitschaft untereinander... das ist unglaublich toll. All diese Erfahrungen, egal wie das hier ausgeht, werden künftig gebraucht.
Aktion: am Morgen wurde das Ferrero-Fabriktor für eine Stunde blockiert, das Ganze ging dann über in eine Spontandemo auf der Bundesstraße. Ferrero hat hier sein Hauptwerk und ist einer der vehementesten Autobahn-Unterstützer. 500 Lkw fahren dort täglich ein und aus. Interessant war auch, dass die Idee für die Aktion inkl. einiger InsiderInfos von einem Mitarbeiter kam...
Noch ne Aktion: gleich hier nahe des Camps wurde ein großer Bagger besetzt. Mit Einbruch der Dunkelheit (um das Filmen zu erschweren, Presse ist inzwischen immer dabei) rückten zwei Hundertschaften inkl. Kletterern an. Sofort war das Camp vor Ort, viele Einheimische dazu, von der CampKüche wurde Abendbrot geliefert, auch hier wieder eine unglaubliche Stimmung.
Trotz der polizeilichen Übermacht machen die Menschen aus den zerstörten Baumhäusern weiter, suchen Schlupflöcher, bauen neu und sagen "jetzt erst recht". Das ist ja alles nur Vorgeplänkel. Richtig ernst wird es im Danneröder Wald, dem eigentlichen Danni, der schon sehr professionell ausgebaut ist. Hier wird der Widerstand krass werden. Er wird Symbolwert haben. Und es geht nicht mehr "nur" um Wald und Autobahn, sondern um das System als Ganzes.
Mittwoch, 8. Oktober
Heute ein paar letzte Gedanken zum Danneröder Wald/A49. Ein kurzer Einblick ins Camp-Geschehen. Um so viele Menschen zu organisieren, sind eine enorme Logistik und gute Strukturen nötig. Es gibt die Menschen im Danni Camp, in den Mahnwachen bei den einige km entfernten Waldgebieten Maulbacher Wald ("Mauli") und Herrenwald ("Herri"), in Stadtallendorf, wo der nächstgelegene Bahnhof ist und viele Unterstützer ankommen, beim Schmitthof. Und natürlich gibt es die Menschen im Wald, in den Baumhäusern, auf Skypods und anderen Plattformen. Sanitäre Einrichtungen müssen gepflegt, unglaublich viele Sachspenden sortiert und verteilt werden etc... Alles ohne Hierarchien, jeder macht mit... auch Dorfbewohner, die immer zur Unterstützung bereitstehen.
Neben dem Transport von Menschen, Material und Informationen ist vor allem die kulinarische Versorgung existenziell. Darum kümmert sich die KüfA, die Küche für Alle (auch bekannt als Volxküche). Aus zumeist gespendeten Lebensmitteln (z.B. ein paar Hundert Kilo Kürbis von der Uni Marburg) werden super leckere Gerichte gezaubert. Ausschließlich vegan. Dreimal täglich.
Wer vorbeikommen möchte, dem empfehle ich sehr, GroßküchenOpenAirLuft zu schnuppern. Genial organisiert, wenn zehn Menschen Unmengen von Gemüse schälen und schnippeln und du sitzt als älterer Jahrgang zwischen jungen Leuten, die deine Kids sein könnten, und debattierst über die Rolle der Grünen, über die vortägliche Baggerbesetzung oder was genau eine SpontanDemo ist. So herrlich! Nebenan blubbern bereits die großen Kochkessel, jemand reicht Tee.
Mein Lieblingsjob war aber die Essensausgabe. Das kann man soooo lustig aufziehen und es damit auch sehr kommunikativ gestalten... Was ich hier und andernorts öfter gehört hab: "Schade, dass uns ältere Menschen (Parents zum Beispiel) hier so wenig unterstützen."
Was überall ganz groß geschrieben wird, ist AWARENESS. Es wird sehr darauf geachtet, wie es dem Menschen neben einem geht, es gibt Bezugsgruppen, das Wort "Danke" ist überdurchschnittlich oft zu hören... aber das ist eine andere Geschichte...
So, hier noch ein paar letzte Bilder sowie der Hinweis auf die immer aktuell gehaltenen Social-Media-Kanäle, z.B. die Webseite https://camp.wald-statt-asphalt.net/de/ und der Telegram-Kanal https://t.me/waldstattasphalt_camp. Auf letzterem wird auch für den Soli-Bus geworben, der nach der Rebellion Wave von Berlin zum Danni und eine Woche später wieder zurück fährt.