Seegerichtshof zu Klimawandel - Internationales Recht

Internationaler Seegerichtshof: 1,5 °C ist das Limit!

Mehr Sorgfaltspfllicht, um Erderhitzung auf 1,5 °C zu begrenzen[25.05.2024] Das Aufheizen und Versauern der Meere durch immer mehr Kohlendioxid zählt als Form der Verschmutzung der Ozeane, für die das Seerechtsübereinkommen gilt. Das stellte kürzlich der Internationale Seegerichtshof (ISGH) in einem Gutachten für die Commission of Small Island States on Climate Change and International Law (COSIS) fest. COSIS ist ein Zusammenschluss von 9 kleinen Inselstaaten, die besonders von der Erderhitzung betroffen sind (u.a. Antigua, Tuvalu, Palau, Vanuatu, St. Lucia, Bahamas).

Das Gutachten hat es in sich: Der ISGH erkennt eine Verpflichtung der Vertragsstaaten des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um die Meeresverschmutzung durch Treibhausgasemissionen zu verhindern, zu verringern und zu kontrollieren. Angesichts des hohen Risikos einer schwerwiegenden und irreversiblen Schädigung der Meeresumwelt durch solche Emissionen sind die Standards streng und die Sorgfaltspflicht besonders groß.

Das Gericht leitet seine Feststellungen, u.a. Verpflichtungen zu mehr Sorgfalt bei Emissionsreduktionen und internationaler Zusammenarbeit zur Begrenzung der Erderhitzung auf 1,5 °C, aus internationalem Seerecht ab - unabhängig vom Abkommen von Paris. Inselstaaten (und auch viele Küstengebiete) erleiden bei einer weiteren Erderhitzung enorme Schäden und können sogar untergehen. Bei steigenden Meeresspiegeln versalzt zudem das Grundwasser in den Küstenregionen und bei den - infolge der Erderhitzung - immer stärker werdenden Stürmen, wird es immer schwieriger Küstenregionen zu schützen.

Das ISGH-Gutachten ist zunächst nicht bindend. Die Kommission der kleinen Inselstaaten hat jedoch angedeutet, dass sie nach diesem Gutachten Schadensersatzprozesse anstrengen werde.

Das ISGH-Gutachten ist zunächst nicht bindend. Die Kommission der kleinen Inselstaaten hat jedoch angedeutet, dass sie nach diesem Gutachten Schadensersatzprozesse anstrengen werde.

Dieses Gutachten zeigt auch, dass mehr Nachdruck auf Klimaschutz gelegt und endlich notwendige politische Maßnahmen initiiert werden müssen, um die Erderhitzung auf 1,5 °C (nicht nur auf deutlich unter 2°C) zu begrenzen oder zumindest nicht weit darüber hinauszuschießen.

 

COSIS historic hearing at ITLOS: SIDS' quest for climate justice

 

Stimmen zu dem ISGH-Gutachten

Vertreter der Komission von kleinen Insel-Staaten

Premierminister Gaston Browne von Antigua und Barbuda erklärte:

„Kleine Inselstaaten kämpfen um ihr Überleben. Einige werden in naher Zukunft unbewohnbar sein, weil es nicht gelingt, die Treibhausgasemissionen zu verringern. Wir fordern, dass die größten Umweltverschmutzer das Völkerrecht respektieren und den katastrophalen Schaden stoppen, der uns zugefügt wird, bevor es zu spät ist. Die Stellungnahme des ITLOS wird unsere künftige rechtliche und diplomatische Arbeit beeinflussen, um der Untätigkeit ein Ende zu setzen, die uns an den Rand einer unumkehrbaren Katastrophe gebracht hat.“

Catherine Amirfar, Co-Vertreterin von COSIS beim ITLOS, erklärte:

„Die heutige Entscheidung des Tribunals macht zum ersten Mal deutlich, dass es die beste verfügbare Wissenschaft ist – und nicht politische Erwägungen, die dem Völkerrecht zu Folge die ‚entscheidende Rolle‘ bei Entscheidungen spielen muss, welches die erforderlichen Maßnahmen  zur Bekämpfung des Klimawandels sind. In dem Gutachten wird anerkannt, dass sich Treibhausgasemissionen nicht von jeder anderen Form der Verschmutzung unterscheiden, und es ist klar, dass die Staaten gemäß Teil XII des Ozeanvertrags alles Notwendige tun müssen, um die Meeresumwelt zu schützen und zu erhalten. Das ist keine Ermessensfrage. Es erinnert daran, dass der Ozean die größte Kohlenstoffsenke ist und 93 % der überschüssigen Wärme absorbiert, und dass anhaltende Untätigkeit zu einem Zusammenbruch des globalen Klimasystems mit schlimmen Folgen führen wird. Diese wegweisende Stellungnahme ist ein wichtiger Präzedenzfall, der zweifellos Einfluss darauf haben wird, was andere internationale Gerichte und Tribunale zum Klimawandel sagen.“

 

Völkerrechtlerin Matz-Lück im Spiegel Interview

SPIEGEL: Was kann diese richterliche Entscheidung konkret bewirken?

"Im Kern geht es um die rechtlich begründete politische Aufforderung an Staaten, sich ernsthafter als bisher um den Klimaschutz zu bemühen. Dazu gehört das wichtige rechtliche Signal, dass man die Pariser Klimaziele, auch das Ziel, die Erwärmung unter 1,5 Grad Celsius zu halten, in das Seerechtsübereinkommen hineinliest. Der vielleicht wichtigste Punkt ist die verpflichtende Streitbeilegung. Danach könnten zukünftig einzelne Staaten vor den Gerichtshof gebracht werden, wenn sie den strikten Sorgfaltspflichten zum Meeresumweltschutz nicht gerecht werden. Die Feststellung, dass die Emission von Treibhausgasen an Land auch als Verschmutzung der Meere anzusehen ist, ist dafür ein wichtiger Hebel."

SPIEGEL: Wie erklären Sie, dass so ein aufwendiges, globales Gerichtsverfahren verhältnismäßig wenig öffentliches Interesse weckt?

Matz-Lück:

"Das ist mir tatsächlich unerklärlich, denn das Thema betrifft alle. In Hamburg haben wir ein internationales Gericht, das die Pflichten fast aller Staaten dieser Erde neu definiert und unser globales Gemeinschaftsgut, den Ozean, vor Verschmutzung schützt. Das sollte uns alle angehen, auch meinen 16-jährigen Sohn, dem ich versuche, diese Thematik mit einfachen Worten nahezubringen."

 

Die Antragsteller - (COSIS)

Kommission von kleinen Inselstaaten - Commission of Small Island States on Climate Change and International Law (COSIS)

Die Staatengemeinschaft COSIS wurde 2021 bei der COP26 gegründet um gemeinsam und mit Hilfe von internationalem Recht ihr Recht auf Klimaschutz durchzusetzen. Kleine, sich entwickelnde Inselstaaten haben am wenigsten zu den Treibhausgasemissionen beigetragen aber leiden am stärksten unter den Auswirkungen der Erderhitzung.

In den kommenden Jahrzehnten werden kleine Inselstaaten mit "ansteigendem Meeresspiegel, extremen Wetterereignissen, Korallenbleiche, Verlust der Fischerei und der Artenvielfalt der Meere" sowie der Gefahr einer völligen Überflutung konfrontiert sein.

Angesichts dieser existenziellen Bedrohung sowie der Untätigkeit auf der internationalen Bühne unterzeichneten die Premierminister von Antigua und Barbuda und Tuvalu am Vorabend der COP26 das Abkommen zur Einrichtung der Kommission kleiner Inselstaaten für Klimawandel und Völkerrecht (COSIS).

Zu COSIS gehören die Inselstaaten: Antigua und Barbuda, Tuvalu, Palau, die Koralleninsel Niue, Vanuatu und St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, St. Christopher (Saint Kitts) und Nevis und die Bahamas.

COSIS - Kommission von kleinen Inselstaaten

 

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