A49: Klage gegen Altlastenverlagerung in die Wasserschutzzone II

Pressemitteilung der Parents for Future vom 05.09.2024

A49: Klage gegen Altlastenverlagerung in die Wasserschutzzone II

Mit Unterstützung der Parents for Future hat ein Umweltverband vor dem Verwaltungsgericht Gießen Klage gegen das Land Hessen erhoben. Dabei geht es um die Durchsetzung  bodenschutz- und wasserrechtlicher Bestimmungen im Trassenbereich der A49. Beim Bau wurde u.a. nachweislich mit Sprengstoffen belastetes Material vom Gelände des Altlastenstandortes der WASAG in Stadtallendorf in die Wasserschutzzone II eingebracht (Abbildung 1). Das belegt eine im Auftrag der Bau-ARGE erstellte Stellungnahme vom November 2023.[1]

Kontaminierte Dammaufschüttung am Talbauwerk Kirschbrückhege, Mai 2023

1Kontaminierte Dammaufschüttung am Talbauwerk Kirschbrückhege, Mai 2023.


Über 10.000 m3 an Boden, der nach dem Hexyl-Fund im Sommer 2022[2] hätte nachbeprobt werden müssen, liegt noch immer unbeprobt südlich des Talbauwerks Kirschbrückhege bei Niederklein in der Wasserschutzzone II[3]. Darunter ist auch Boden mit dokumentierten Restbelastungen. Denn die Sanierung vor dem Bau der Trasse der A49 durch die DEGES[4] erfolgte nur bis zum Erreichen der sogenannten „Zielwerte“. Diese lagen aber um ein Vielfaches höher als die vom Regierungspräsidium vorgegebenen Grenzwerte für die Verlagerung des Bodens in die Wasserschutzzone außerhalb des WASAG-Geländes.[5]

2 Mit Hexyl kontaminiertes Haufwerk, Mai 2022.

 

2 Mit Hexyl kontaminiertes Haufwerk, Mai 2022.


Inzwischen wurde allen Vorschriften zum Trotz nicht etwa eine Abtragung des nachweislich kontaminierten Bodens verfügt, sondern vielmehr eine Stellungnahme zu den möglichen Gefahren durch die Verlagerung erstellt.[6] Dabei wird die Belastung nach der Vermischung des belasteten mit unbelastetem Boden berechnet. Allerdings ist eine Vermischung von Boden zum Zweck der Schadstoffverdünnung nach dem hessischen Baumerkblatt[7] unzulässig. Auch verbietet die örtliche Trinkwasserschutzverordnung die Einbringung von belastetem Material.[8] Zusätzlich wurden Hot Spots nicht berücksichtigt. Solche waren im Mai 2022 gefunden worden (Abbildung 2). Die Analysen wiesen Werte von bis zu 4.200 mg/kg an giftigem Hexyl auf[9]– verlagert werden durfte Material nur mit weniger als 0,2 mg/kg Hexyl. Aufgrund der Sprengung der Hexa-Packhäuser ist mit weiteren Hot-Spots vor Ort zu rechnen. Trotz des Außerachtlassens dieser Gefahr kam die Stellungnahme zu dem Ergebnis, dass die Grenzwerte für die Verlagerung in die Wasserschutzzone II selbst nach der Vermischung mit unbelastetem Material überschritten sein können.

Die Erde liegt trotzdem immer noch vor Ort – ebenso wie weitere dokumentierte Restbelastungen. Das Regierungspräsidium gibt an, die Gefahr sei aufgrund der über dem belasteten Boden verlegten Kunststoffdichtungsbahn äußerst gering.[10] Demgegenüber sieht die Risikostudie zur A49 das Risiko einer undichten Kunststoffbahn als eines der gravierendsten Risiken für die Trinkwassergewinnung an.[11] Dieses Risiko ist besonders relevant, da sprengstofftypische Reststoffe Kunststoffe zersetzen können. Daneben geht eine Gefahr von möglichen Reparaturarbeiten aus, bei denen keiner mit belasteter Erde rechnet.

 Außerdem wurde Boden mancherorts weder vor noch nach der Verlagerung beprobt, z. B. nahe der Lager für Dinitrodiphenylamin.[12] Das ist umso gravierender, weil hier im Zuge der Sanierung lediglich die Gebäude zurückgebaut, nicht aber der Boden saniert wurde. Denn dieser war bei Voruntersuchungen nicht auf den dort gelagerten Stoff Dinitrodiphenylamin beprobt worden. Damit ist es gut möglich, dass es hier zu einer weiteren Verlagerung von kontaminiertem Boden gekommen ist.

Das Land Hessen wurde darauf verklagt, den Boden- und Trinkwasserschutz sicherzustellen. Es wird höchste Zeit, dass die Bau-ARGE die mutwillige und fahrlässige Gefährdung des Bodens durch die Verlagerung von unbeprobtem und von nachweislich kontaminiertem Boden unterlassen und alle erforderlichen (Sanierungs-)Maßnahmen ergreifen muss, damit das Trinkwasser für jetzige und zukünftige Generationen nicht gefährdet ist.

Parents for Future Germany / AG Danni lebt,

Kirsten Prößdorf, Tel. 0177/ 4225121

 

[1] Von der Bau-ARGE vorgelegte Stellungnahme 4092002 – Vermischung von unbelastetem Erdaushub mit zum Teil belasteten Aushub aus dem Bereich der Artilleriestraße/Sanierungsbaugrube Füllgruppe II vom 16. November 2023. Dort heißt es: „Im Nachhinein wurde festgestellt, dass beim Bodenaushub Areale der ehemaligen Sanierungsbaugruben aus der Füllgruppe II angeschnitten und zum Teil abgetragen wurden und somit nachweislich belastetes Material umgelagert wurde.“

[4] Saniert wurde zudem nur ein Bruchteil von ca. 15 Prozent der Trasse im WASAG-Gelände, von dem bekannt war, dass er belastet ist. https://www.danni-lebt.de/altlasten/sanierungsgebiet/

[5] Der Zielwert lag laut einer Pressemitteilung des Regierungspräsidiums Gießen bei 50mg/ kg Hexyl, vgl. https://rp-giessen.hessen.de/presse/laborergebnisse-liegen-vor Laut Auskunft aus dem Regierungspräsidium darf Boden nur mit einem Wert von bis zu 0,02 mg/kg an sprengstofftypischen Parametern (TNT-TE) in die Wasserschutzzone III eingebracht werden. Das impliziert, dass der Boden in der Wasserschutzzone II völlig schadstofffrei sein muss.

[6] Der Bereich südlich der Artilleriestraße wurde im Frühjahr 2022 nachbeprobt. Die Proben wurden dabei entgegen der Vorgaben nicht von einem zertifizierten Institut, sondern von der Bau-ARGE selber genommen. Der Bereich nördlich der Artilleriestraße, der im Mai 2022 ausgehoben war, war abseits der Sanierungsbaugruben nicht beprobt worden. Aufgrund der militärischen Nutzung und der Altlasten ist gemäß der Hessischen Verfüllrichtlinie Ziffer 6.2 vor der Einbringung von Boden dessen Unbedenklichkeit nachzuweisen und mit einer Probe auf 500 m³ zu beproben. https://www.hlnug.de/fileadmin/dokumente/altlasten/rechtsgrundlagen/Verfuellrichtlinie_StAnz_10_2014.pdf

[7] Hessisches Baumerkblatt 2018, S. 9, abrufbar unter https://rp-giessen.hessen.de/sites/rp-giessen.hessen.de/files/2022-01/m…

[8] § 6 Nr. 16 der Verordnung zum Schutz der Trinkwassergewinnungsanlagen der Wasserwerke Wohratal und Stadtallendorf des Zweckverbandes Mittelhessische Wasserwerke vom 2. November 1987, Hessischer Staatsanzeiger Nr. 48/1987 S. 2373, abrufbar unter https://www.staatsanzeiger-hessen.de/

[11] Unterlage 13.1.2_08 zum Planfeststellungsbeschluss.

[12] Dieser Bereich wurde zwar im Januar 2023 auf Dinitrodiphenylamin beprobt. Zu diesem Zeitpunkt war aber ein Großteil des Bodens bereits abgetragen. Damit ist diese Beprobung weder aussagekräftig noch ein Beleg dafür, dass der bereits verlagerte Boden unbelastet war.

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