Hinter den Kulissen: Wer betreut den Twitter-Account der Parents?
erschienen im Parents-Newsletter #23 (Dezember 2022)
Thomas Stegh ist Mitbegründer von P4F und betreut seit langem federführend den Twitter-Account. Der Softwareentwickler investiert dafür viel Zeit. Im Gespräch mit Jörg Weißenborn gewährt er einen Blick hinter die Kulissen, spricht über aktuelle Entwicklungen, Elon Musk und die Twitter-Alternative Mastodon.
Frage: Wie kamst Du zum Klimaaktivismus allgemein und zu Social Media im Speziellen?
Antwort: Ich bin Ende 2018 über meine Kinder beim Klimaaktivismus gelandet. Anfang 2019 haben ein paar ältere Menschen aus WhatsApp-Gruppen von Fridays For Future heraus eigene Gruppen erstellt und zueinander gefunden. Dann gab‘s eine sehr verrückte und anstrengende Gründungsphase, mit langen Zoom-Meetings fast jeden Abend. Gleich zu Beginn hatte ich im ersten Parents-Chat (den es übrigens immer noch gibt) „die Hand für Social Media gehoben“ und auch die meisten Social-Media-Kanäle angelegt, dann aber an andere Mitstreiter* innen abgegeben; bis auf den Twitter-Account, den ich seitdem (mit)betreue.
Frage: Wie viele Stunden investierst Du in dieses ehrenamtliche Engagement?
Antwort: Da sag ich lieber nix zu. Es geht recht viel Zeit da rein, klar.
Frage: Darum ist der Parents-Account auch sehr erfolgreich. Wie groß ist denn die Reichweite?
Antwort: Aktuell hat der Account ca. 53.500 Follower mit 1,5 bis 2 Millionen Tweet-Impressions pro Monat. Das schwankt aber auch stark – letztes Jahr waren‘s auch schon mal mehrere Monate lang jeweils 5 bis 8 Millionen Tweet-Impressions. Das liegt z. B. an Inhalten und Terminen der Klimagerechtigkeitsbewegung weltweit. So ist in Monaten mit globalem Klimastreik mehr los.
Frage: Wie hat sich das Projekt entwickelt und wie läuft es aktuell?
Antwort: Seit dem Start des Accounts im Februar 2019 war die Zahl der Follower kontinuierlich gestiegen, zuletzt kamen monatlich gut 1.000 Follower hinzu. Nachdem nun allerdings Elon Musk Twitter übernommen hat, gingen die Follower-Zahlen erstmals um einige Hundert zurück. Das kommt wohl vor allem daher, dass Menschen ihre Twitter-Accounts stilllegen und Twitter verlassen…
Frage: …um zu Mastodon zu wechseln?
Antwort: Ja, zum Teil schon. Neben Twitter betreibe ich seit August 2020 auch den P4F-Mastodon-Account (climatejustice.global/@parents4future) mit. Da geht es seit Musks Twitter-Takeover richtig ab – von 1.400 Followern innerhalb kürzester Zeit auf jetzt schon 12.000. Täglich kommen hier sehr viele Wissenschaftler*innen, Journalist*innen und Aktivist*innen hinzu, Es herrscht richtig Aufbruchstimmung, es geht sehr freundlich zu, viel angenehmer als auf Twitter. Mal abwarten, was da in den nächsten Monaten so passiert.
Ich werde allerdings bei Twitter weiter aktiv bleiben; vor allem, weil ich mit dem Account so viel globale Vernetzung betreibe. Praktisch die gesamte globale Klimabewegung – von kleinen lokalen Initiativen in Afrika bis hin zu großen NGOs – folgt uns dort und ich rede auch in privaten Twitter-Chats mit vielen Akteur*innen.
Frage: Was steckt eigentlich hinter dem „Twitter-Algorithmus“, der dafür sorgt, was man angezeigt bekommt?
Antwort: Das ist Fluch und Segen zugleich. Einerseits sorgt die „künstliche Twitter-Intelligenz“ – was letztlich aber nur ein fancy Wort für Algorithmen ist – dafür, dass „relevante“ Inhalte für jede*n Anwender*in angezeigt werden. Die meisten nutzen diese Ansicht und nicht die klassische chronologische Timeline; die man aber immer noch einstellen kann, wenn man das möchte.
Was „relevant“ ist, bestimmt der – völlig intransparente und wohlgehütete – „Twitter-Algorithmus“. In letzter Zeit (seit Elon Musk an der Macht ist) scheint es so, als würde die Klimabewegung stark „heruntergeregelt“. Das heißt konkret, dass es so wirkt, als ob unsere Tweets selbst den eigenen Followern kaum noch angezeigt werden; das spüre ich an stark rückläufigen Interaktionen wie Likes, Retweets und Kommentaren.
Frage: Das ist bei Mastodon anders?
Antwort: Ja, der Vergleich mit Mastodon ist aktuell völlig verrückt. Da habe ich für die gleichen Beiträge wie auf Twitter mit weniger als einem Fünftel der Follower- Zahlen viel mehr Reichweite und Interaktionen als auf Twitter. Ja, das ist ein Plädoyer für Mastodon: kommt rüber!
Frage: Gibt es trotz des Mastodon-Hypes auch bei Twitter aktuelle, spannende Trends?
Antwort: Na ja, der spannendste Trend ist derzeit wohl die Abwanderung ins Fediverse zu Mastodon. Aber ok, um etwas Positives zu sagen: Die globale Vernetzung der Klimagerechtigkeitsbewegung(en) wird bei Twitter immer besser. Auch wenn zumindest gefühlt die Reichweite eher weniger wird, mutmaßlich weil Twitter-Algorithmen das „so entscheiden“.
Frage: Elon Musk stellt ja als neuer Besitzer Twitter gerade auf den Kopf. Magst Du eine Prognose abgeben, wie sich Twitter in nächster Zeit weiterentwickelt?
Antwort: Hmm, eine Prognose wage ich eher nicht. Ich hoffe, dass die Plattform Twitter überlebt und nicht zu einer „Sifftwitter“-Resterampe wird. Wie oben erwähnt verlassen schon etliche Menschen Twitter – aber meinem Gefühl nach bleiben durchaus noch sehr viele da, so dass es sich lohnt, hier präsent zu bleiben; auch wenn ich meinen Fokus künftig wohl mehr auf Mastodon legen werde, schätze ich.
Frage: Was empfiehlst Du Nicht-Profis, um z. B. die Reichweite zu erhöhen?
Antwort: Ganz einfach: viel interagieren, präsent sein, antworten, mit allen möglichen Akteur*innen reden, auch außerhalb der „eigenen Bubble“. Das ist das Tolle an Twitter: Du kannst jederzeit z. B. unter einen Tweet von Lindner oder Wissing etwas schreiben – und mich freut es manchmal sehr, wenn ich für einen „DruKo“ („Drunter-Kommentar“) zum Teil mehr Likes und Retweets bekomme als der Ursprungs-Tweet.
Frage: Du unterstützt auch diesen Newsletter, indem Du alle Beiträge separat tweetest. Gibt es da Rückmeldungen?
Antwort: Meist gibt es Likes und Retweets, was die Reichweite erhöht. Positive Kommentare natürlich auch. Nice war z. B. beim letzten Newsletter, dass der „Zentralverband des Deutschen Handwerks“ – laut seiner Twitter-Bio 1 Mio. Handwerksbetriebe, 5,5 Mio. Beschäftigte, 360.000 Auszubildende – uns retweetet hatte, uns folgt und seitdem manchmal in seinen Tweets erwähnt/taggt.
Frage: Magst Du zum Schluss noch ein paar Worte zu Deinen Kindern sagen, für die Du das ja vor allem tust?
Antwort: Ich habe 4 Kinder, die mittlerweile 17, 14, 12 und 10 Jahre alt sind. Sie sind nicht mehr so aktiv, was Klimaaktivismus angeht. Wir gehen zwar immer noch zusammen zu manchen Demos oder Aktionen (ich war z. B. letztes Jahr mit allen vier Kindern – mehr als Gast/ Berichterstatter – bei Ende Gelände in Brunsbüttel dabei), aber das ist ok. Kinder sollen bitte schön Kinder sein dürfen und sich nicht „verpflichtet“ fühlen, Aktivismus zu betreiben. Wobei es natürlich toll und wichtig ist, dass immer noch so viele junge Menschen voll dabei sind. Aber: Wir, die Eltern-Generation, haben‘s ja so lange verbockt. Und wir sollten noch viel mehr aktiv werden, finde ich.
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