Nachlese Gespräch mit eins Energie
Chemnitz, 12.3.2023 / 30.3.2023
Wir lesen hier das Gespräch der Chemnitzer For-Future-Gruppen mit eins Energie nach, das am 9.2.23 in der Konzernzentrale stattfand, und das der ebenfalls anwesende Finanzbürgermeister Ralph Burghart als höchst fachkompetent und sachlich bewertete. Die Vortragsfolien der For-Future-Gruppen und die Tischvorlagen der eins Energie befinden sich im Artikelanhang unten.
Update 30.3.23: Fazit ergänzt, neuer Abschnitt gemeinsame Themenliste eins-Klimabewegung
Vom Klimastreik zum Vorstandsgespräch
Der Klimastreik am 23.9.22 führte zum Kraftwerk-Nord des Chemnitzer Regionalversorgers eins Energie, wo die Abschlusskundgebung stattfand. Im Gegensatz zu anders lautenden Presseberichten1 haben sich dort Vertreter der FF Gruppen und der eins ausgetauscht und ein Gespräch avisiert, das am 9.2.23 stattfand.
Beteiligt waren neben dem Gastgeber, der von uns das vegane Kochbuch "Schlemmen for Future" bekam, die Chemnitzer Gruppen von Fridays-, Students- und Parents-for-Future.
Zu Beginn leitete Hr. Warner - Vorstandsvorsitzender der eins Energie - ein. Oberstes Gebot für Hrn. Warner sind Versorgungssicherheit bei bezahlbaren Preisen. Ihm war wichtig, dass nicht nur die Klimabewegung Forderungen stellt, sondern auch die der eins Energie berücksichtigt werden. Dazu bekamen die Teilnehmer je eine Tischvorlage mit einem Abriss zu Beispielprojekten, was das Unternehmen für die Klimaneutralität tut:
Hr. Warner - sichtbar bewegt, als er Teil 2 der Tischvorlage erklärte: 2 Briefe von Kunden aus dem Spätsommer 2022, die extrem gestiegene Energiepreise vor Augen hatten und sich in ihrer Existenz bedroht sahen.
Uns bewegten die Briefe sehr, ist doch die Klimabewegung von jeher eine Klimagerechtigkeitsbewegung, die soziale Probleme in den Fokus rückt, beispielsweise bezogen auf:
- die direkten Auswirkungen, die im Zuge einer galoppierenden Klimakrise auf uns zu kommen, und unter denen Menschen des Globalen Südens schon heute leiden, die auch uns im Globalen Norden einholen werden, wenn wir nicht massiv gegensteuern;
- die Schwächsten der Gesellschaft, die sich aufgrund nicht vorhandener oder zu geringer Einkommen und Vermögen weder moderne CO2- und Energiespartechniken, noch sanierte Wohnungen leisten können, die vor Hitze und Kälte schützen.
Für unzureichende Einkommen sind aber weder eins Energie noch die Klimabewegung verantwortlich - sondern Strukturen wachsender Ungleichheit und Ausbeutung im real existierenden Kapitalismus.
Appell von Fridays for Future
Es folgt ein leidenschaftliches Plädoyer von Fridays for Future, die Erde nicht weiter zu zerstören. Alle Folien in schwarzer Farbe, bedeuten sie doch Zukunftsängste, Verzweiflung, Resignation:
- zusammenbrechende Ökosysteme, und einhergehender Zusammenbruch der Landwirtschaft
- Konflikte und Krieg um Ressourcen Wasser und Land - mit zunehmender Temperatur werden immer größere Teile der Welt unbewohnbar mit entsprechenden Folgen hinsichtlich Migration
- zunehmende Naturkatastrophen rauben den Optimismus, etwas aufzubauen
- keine Perspektive für weiteren Bildungsweg nach dem Abitur: Um verhindern zu helfen, dass die Zivilisation zugrunde geht entscheiden sich einige, Vollzeitaktivist*in zu werden
- keine Familienplanung angesichts der heraufziehenden Klimakatastrophe - heute Kinder in die Welt zu setzen sei unverantwortlich
FFF Chemnitz fordert, dass sich sämtliches Handeln zuerst am naturwissenschaftlich Möglichen statt am Ökonomischen orientiert.
Ihr Angebot an die eins:
- Fridays for Future will Klimaschutz-Hindernisse auf Klimastreiks thematisieren. Hier soll die eins Themen liefern.
Parents for Future fordern Transparenz der CO2-Reduktion
Parents for Future wiesen darauf hin, dass Wissenschaftler 1995 in der Tagesschau vor der Klimakatastrophe warnten: In 25 Jahren - also heute - sei ein Umsteuern nicht mehr möglich, wenn der Treibhausgasausstoß nicht verringert werde2. Wir befinden uns also längst im freien Fall, der Kipppunkt ist hinter uns, wir können nur noch die Fallhöhe begrenzen.
Statt zu sinken stagniert der Chemnitzer Energieverbrauch bei Wärme und Strom seit über 20 Jahren bei ca. 3.500 GWh/a. Eins Energie ist hier insbesondere für die Bereiche Fernwärme und Strom verantwortlich:
Dabei ist ein sinkender Verbrauch von Energie und Ressourcen der entscheidende Hebel, die Treibhausgas-Emissionen zu senken und die natürlichen Lebensgrundlagen zu sichern statt sie immer weiter zu verfeuern und aufzuzehren.
Insbesondere ressourcenintensive Akteure der Stadtgesellschaft und Besitzer von Großimmobilen stehen hier in der Verantwortung - es ist das richtig "dicke Brett, das es zu bohren gilt".
Obwohl Chemnitz dem Magazin "Wirtschaftswoche" zufolge die deutsche Solarhauptstadt ist stellten wir fest, dass unser Oberzentrum bei erneuerbar erzeugten Energien Wärme und Strom weit unterhalb des Bundesdurchschnitts liegt:
Wie weit die eins Energie beim Absenken des Treibhausgasausstoßes - der Dekarbonisierung - ist, kann man leider nicht nachlesen: Man muss sich die Informationen mühevoll zusammenklauben aus städtischen Quellen, wo die Herkunft entscheidender Daten unklar ist. Da Dekarbonisierung ohne objektive Zahlen weder steuerbar noch möglich ist fordern wir Parents,
Transparenz zu schaffen:
- Erstellen, Fortschreiben und öffentliche Zugänglichkeit der Treibhausgasbilanz nach den Grundsätzen der internationalen Norm ISO 14064-1. Analog zu den Stadtwerken Tübingen3.
Students for Future fordern Großwärmepumpe statt Pyromanie
Students for Future wiesen nach, wie klimaneutrale Energieversorgung in Chemnitz geht. Dazu hat ein Aktivist der Gruppe während seines Studiums an der hiesigen Technischen Universität eine wegweisende Masterarbeit verfasst4.
Knackpunkt ist in Chemnitz die Fernwärmeversorgung durch die eins Energie.
Der berechnete Jahresgang der Energieerzeugung zeigt auf, dass klimaneutrale Fernwärme möglich ist:
In der Arbeit ist ausgeführt, dass die klimaneutrale Fernwärme sogar kostengünstiger ist als von der eins vermutet.
Dazu bedarf es einer Großwärmepumpe, die viel größer dimensioniert ist als die eins bislang plant. Das vom Versorger avisierte Holzkraftwerk wird nicht benötigt.
Die Forderung der Students ist zugespitzt:
- Großwärmepumpe statt Pyromanie
Abschließende Diskussion
Ausgangspunkt war unser Schaubild mit folgenden Forderungen:
Vertieft wurden die Aspekte Großwärmepumpe, wie Methanleckagen bei Förderung und Transport von Erdgas die Treibhausgasbilanz verhageln, die mangelnde Transparenz der eins Energie bei der Treibhausgasreduktion im Vergleich zu den Stadtwerken Tübingen. Und natürlich die Energiepreise - wobei die Kosten der Erneuerbaren speziell beim Strom die niedrigsten im Vergleich zu allen anderen Energieträgern sind.
Eins Energie wollte insbesondere kurzfristig schauen, ob und wie eine Treibhausgasbilanz analog Tübingen möglich sei. Speziell zu Methanleckagen sollte ein Fachgespräch in kleinem Kreis folgen.
Die Klimagruppen haben zugesichert, bei Bürgerbeteiligung und Nachhaltigkeitsstrategie zu unterstützen.
Gemeinsame Themen künftiger Zusammenarbeit
Im Nachgang haben wir die aus unserer Sicht gemeinsamen Themen in einer e-Mail zusammengefasst - hier die redigierte Fassung:
Haupthemen:
- Tübinger Model prüfen.
- CO2 Neutralität eins energie 2045 und Diskrepanz dieses Zieles zum Pariser Klimaziel: Transparenz über die Planung, damit ein 1,5° kompatibler Pfad für Chemnitzer Energieversorgung möglich wird.
- eins plant Großwärmepumpe: Wir möchten uns in Genehmigungsprozessen einbringen und unterstützen. Die Masterarbeit des Students for Future macht hier ganz konkrete Vorschläge.
Weitere Themen:
- Wir bitten, bestehende Hindernisse zu formulieren, die den Transformationsprozess der eins hemmen. Wir werden deren Beseitigung von der Politik einfordern (siehe auch offener Brief der eins Energie und Students for Future vom 12.9.2022).
- Wir bitten um weitere Gespräche in kleinen Runden, um die Motivation der Klimaaktivisten zu erläutern und zu erörtern.
- Wir bitten um weitere Details zur geplanten digitalen Bürgerbeteiligung5 der eins.
- Unsere avisierte Teilnahme an einer Aufsichtsratssitzung: wir bitten um weitere Abstimmung.
- Technische Expertengespräche mit Menschen der Klimabewegung, die profunde Sachkenntnis und Gestaltungswillen auf den unterschiedlichen Sachgebieten der (Energie-)versorgung und der Entsorgung haben.
Die eins hat interne Prüfung und weitere Kommunikation dazu avisiert.
Pressegespräch und Fazit
Nach dem Termin bei der eins Energie erwartete uns eine Pressevertreterin vor der Konzernzentrale des Versorgers. Letzterer war nicht bereit, mit der Presse über das Treffen zu sprechen - wir schon.
Fazit:
Reden hilft! Es ist sehr gut, miteinander gesprochen zu haben und das weiterhin zu tun. Während das Gespräch mit der eins Energie konkret und ergebnisorientiert war, und eine weitere themenzentrierte Zusammenarbeit avisiert ist, sind Gespräche mit anderen Chemnitzer Akteuren im Vagen geblieben und im Sande verlaufen. Was sehr schade ist! Denn nicht nur Klimaaktivisten haben hohen, konstruktiven Gestaltungswillen, der nicht per "Eingliederungsbefehl" in staatsamtlich aufgesetzte Beteiligungsformate abgeschwächt werden sollte. Was überdies den Vorteil hätte, Selbstwirksamkeit unmittelbar zu erfahren, die überdurchschnittliche Motivation zu nutzen statt zu schwächen, und als Schübe bei der konkreten Verbesserung des Gemeinwohls verfügbar zu machen.
Klar wurde auch: Bei der eins Energie konterkarieren Zwänge bei weitem den vorhandenen guten Willen, mehr fürs Klima zu tun.
Deshalb tut die eins bei weitem nicht genug: Sie will erst 2045 klimaneutral sein - die Stadt bis 2040 - das Pariser 1,5-Grad-Klimaziel einzuhalten erfordert von Deutschland Klimaneutralität bis 20306, wozu mindestens alle großen Akteure aufgerufen sind.
Quellen
2 https://youtu.be/vwpRy8t43Nw
3 https://www.swtue.de/unternehmen/verantwortung/co2-reduktionspfad.html
4 Eckhardt: Klimaneutrale und teilautarke Energieversorgung der Stadt Chemnitz. TU Chemnitz, 2023
5 Registrierungspflichtiges Bürgerbeteiligungsportal der eins Energie: https://gemeinsam.eins.de/de-DE/
8 https://www.umweltbundesamt.de/daten /klima und /energie
9https://www.chemnitz.de/chemnitz/media/unsere-stadt/umwelt/klimaschutzbericht_2019.pdf