Sonnenstrom ohne Sonne - die Inselanlage
Chemnitz, 31.10.2022
Bei einer "Inselanlage" speist man Sonnenstrom, den Fotovoltaikmodule gewinnen, nicht direkt ins häusliche Stromnetz ein, sondern in eine sogenannte "Solar-Powerstation". Das ist ein akkugestütztes, transportables und fotovoltaisch aufladbares Notstromaggregat mit mindestens einer Schukosteckdose als Ausgang. Daran kann man im "Inselbetrieb" - also abgetrennt vom Stromnetz der Wohnung - elektrische Geräte für eine bestimmte Zeit anschließen und betreiben. Im Blogbeitrag zeigen wir, wie das geht, und was zu beachten ist.
Was ist eine Inselanlage?
Gewöhnlich wird eine Balkon- bzw. Steckersolaranlage an den Wohnungsstromkreis angeschlossen, um dort angeschlossene Geräte zuerst mit dem Strom der Steckersolaranlage zu versorgen, und nachrangig mit Strom aus dem Netz des Energieversorgers. Die Funktionsweise, und dass während des Stromverbrauchs natürlich die Sonne scheinen muss, haben wir hier beschrieben: https://www.parentsforfuture.de/de/steckersolar.
Statt Sonnenstrom des Fotovoltaikmoduls sofort im Stromkreis der Wohnung zu verbrauchen kann man ihn auch in einer Solar-Powerstation speichern, um - etwa nach Sonnenuntergang - den Strombedarf abendlicher Fernseh- oder Netflixstunden zu decken. Dazu muss man Fernseher, Computerequipment oder andere Geräte aus den Steckdosen des Wohnungsstromkreises herausziehen und in den Schuko-Ausgang (AC-Ausgang, AC - alternating current bzw. Wechselstrom) der geladenen Powerstation einstecken.
Zum Laden wird die Station direkt an ein kompatibles Fotovoltaikmodul angeschlossen. Ein Wechselrichter wird NICHT benötigt, da der Modul nicht an den Wohnungsstromkreis, sondern an die Powerstation angeschlossen wird.
Damit ist klar: Die Powerstation ist wie eine transportable Strominsel in der Wohnung, denn sie ist abgetrennt vom Stromnetz.
Achtung: Der 220-V-Schuko-Ausgang der Powerstation darf niemals mit dem Wohnungsstromkreis verbunden werden!
Die angeschlossenen Geräte lassen sich natürlich nur so lange betreiben, bis die in der Powerstation eingebauten Batterien leer sind. Danach wird sie erneut mit Sonnenstrom betankt.
Kurzum: Die Solar-Powerstation ist ein Päckchen sauberer, kostenloser Sonnenstrom, um ohne Sonne und ohne Strombezug vom Energieversorger einige Zeit über die Runden zu kommen.
Die Geräte haben natürlich auch einen Anschluss zum Aufladen über das Stromnetz. Damit hat man, überspitzt gesagt, ein Päckchen zu bezahlenden, schmutzigen Kohle- und Atomstrom in Reserve.
Bei Stromausfall kann die geladene Solar-Powerstation als Notstromaggregat fungieren. Als leises, akkubetriebenes Gerät kann sie in der Wohnung verwendet werden, im Gegensatz zu den lauten klassischen Notstromaggregaten auf Basis kleiner Benzin- oder Dieselmotoren, die aufgrund der giftigen Abgase nur im Freien laufen dürfen.
Die Solar-Powerstation
Die Abbildungen zeigen als Beispielgerät eine "Bluetti EB 120", mit 1 kW Leistung und 1,2 kWh Kapazität. Gewicht knapp 13 kg. Bei hoher Ausgangslast und beim Aufladen schaltet ein Lüfter zu.
Es gibt verschiedene Hersteller von Solar-Powerstations. Da China auf dem Gebiet technologisch führend ist und die gesamte Wertschöpfung der Solar- und Akkutechnik sowie der Elektronik abdeckt findet man am Markt ausschließlich Geräte dortiger Hersteller.
Das solare Aufladen der Powerstation
Dazu müssen beide "MC4-Stecker" des Fotovoltaikmoduls über einen Adapter oder auch direkt in den Gleichsspannungseingang bzw. "DC-Eingang" (DC - direct current) der Powerstation eingesteckt werden, je nach Hersteller des Geräts.
Klingt einfach - aber: Fotovoltaikmodul und Powerstation müssen kompatibel sein!
Was heißt das?
PV-Standardmodule der 300 Wp Leistungsklasse (Wp - Watt peak, elektrische Spitzenleistung unter Idealbedingungen), wie sie in unserem Steckersolar-Blogartikel beschrieben sind, liefern ca. 40 V Gleichspannung. Bei Modulen höherer Leistung ist die Spannung noch größer.
Auf dem Markt gibt es handliche Solar-Powerstations, die nur für Eingangsspannungen zwischen ca.15 V DC und bis etwa 30 V DC ausgelegt sind. Diese kann man NICHT direkt an einen Standard-PV-Modul mit 40 V Ausgangsspannung oder größer anschließen - hier muss man einen Gleichspannungswandler zwischenschalten (DC/DC-Wandler).
Die Beschriftung des DC-Eingangs der EB 120 macht klar, dass sie mit Gleichspannungen zwischen 16 V und 60 V ladbar ist. Heißt, kleine Fotovoltaikmodule mit bspw. 50 Wp und kleiner Ausgangspannung sind ebenso zum Aufladen geeignet wie große Module mit höherer Ausgangsspannung, die sich in Leistungsklassen von 300 Wp oder oberhalb finden.
Obacht: Je kleiner die Modulleistung, um so länger dauert das Aufladen. Bei vollem Sonnenschein wird die EB 120 in etwa 4 Stunden am 320 Wp Modul von Heckert Solar aufgeladen.
Bei der Beschaffung einer Solar-Powerstation ist also - kurzum - zu beachten: Die Ausgangspannung des Fotovoltaikmoduls muss kleiner sein als die maximal zulässige Eingangsspannung der Solar-Powerstation am DC-Eingang. Ist das der Fall, sind Station und PV-Modul kompatibel.
Um dem Laien diese Betrachtungen zu ersparen, bieten die Hersteller häufig Sets aus faltbaren Solarpanels und Powerstation an. Die Panels liefern ca. 20 bis 30 V DC, und die Powerstations sind genau auf diese Eingangspannung ausgelegt. Sie sind vorwiegend für Campinganwendungen gedacht.
Der EB 120 liegt ein Adapterkabel bei, an das man an die MC4-Stecker des Fotovoltaikmoduls auf der einen Seite anschließt, und auf der anderen in den DC-Eingang einsteckt.
Die beiden Bilder zeigen den MC4-Anschluss eines Moduls, und das von Bluetti mitgelieferte Adapterkabel, um den Modul mit der EB 120 zu verbinden:
Der Inselbetrieb
An die Schukosteckdose der geladenen Powerstation können nun verschiedene Geräte angeschlossen werden, gegebenenfalls mit Steckerleiste.
Inselbeispiele mit der EB 120
- Mit einer mobilen 1000-Watt-Kochplatte, angeschlossen an eine volle EB 120, könnten eine rechliche Stunde lang warme Speisen zubereitet werden. Mit einer 800-Watt-Mikowelle reichts etwas länger.
- Eine 75-Watt-Heimcomputeranlage mit 1 Laptop, einer Dockingstation und 2 Monitoren könnte 16 Stunden durchgehend laufen, bzw. es lassen sich knapp 2 Tage Homeoffice mit einer Ladung abdecken.
- Ein 800-W-Gardena-Hauswasserwerk bringt die EB120 mühelos und ohne Anlaufstrombegrenzer zum Wasser pumpen.
Werden gelegentlich Mobiltelefone und Tablets aufgeladen, so sinkt die Ladung der EB 120 kaum.
Eine 1500-Watt-Kaffeemaschine ließ die EB 150 in den Überlastungszustand wechseln, der mit einer Fehlermeldung im Display angezeigt wurde. Nach abziehen des Brühers und Neustart der EB 120 war sie wieder betriebsbereit. Für die Kaffemaschine hätte es einer Powerstation mit mindestens 1,5 kW Leistung bedurft.
Übliche Leistungsklassen der Powerstations sind 350 W, 500 W, 750 W, 1000 W, 1500 W, 2000 W usw.
Auch sind die Kapazitäten zu beachten, die es in ähnlichen Abstufungen gibt, etwa 500 Wh, 1000 Wh, 2000 Wh oder gar 5000 Wh.
Je höher die Kapazität, um so mehr Akkus enthält die Powerstation, und um so schwerer und teurer ist sie.
Faustregel: 15 kg und 1000 € Listenpreis je 1000 Wh Powerstation.
Kombination mit einem Balkonkraftwerk
Eine Solar-Powerstation lässt sich hervorragend verwenden, um sie an einem Balkonkraftwerk kostenlos aufzuladen, so dass mit dem gespeicherten Strom später verschiedene Geräte betrieben werden können. Sei es, um den zu bezahlenden Strombezug vom Netzbetreiber weiter zu senken, oder um ein Päckchen Notstrom in Reserve zu haben.
Hierzu muss das Balkonkraftwerk manuell vom Einspeise- in den Ladebetrieb gebracht werden.
So ist vorzugehen:
- Abziehen des Kabels von der Wieland- bzw. Schukosteckdose, das den Wechselrichter des Balkonkraftwerkes mit dem Wohnungsstromnetz verbindet.
- Trennen der MC4-Stecker des Moduls vom Wechselrichter
- Verbinden der MC4-Stecker mit der Solar-Powerstation, entweder direkt oder mit einem Adapterkabel, je nach Gerät
Ist das Laden der Station beendet geht man umgekehrt vor: MC4-Stecker von der Powerstation trennen und Einstecken in den Wechselrichter, danach verbinden des Wechselrichters mit der Schuko- oder Wielanddose. Damit wurde das Balkonkraftwerk vom Lade- wieder in den Einspeisebetrieb gebracht.
Inzwischen gibt es Lösungen, die Balkonkraftwerk und Powerstation vollautomatisch und ohne Umstecken zwischen Einspeise-, Lade- und Inselbetrieb "fahren".
Sicherheit
Im Gehäuse der Powerstations sind Li-Akkus verbaut. Wegen ihrer hohen Energiedichte sind mit Akkus dieser Zellchemie sehr kompakte Geräte-Bauformen möglich.
Zur Sicherheit von Li-Akkus hat das Umweltbundesamt sehr praxisnahe und verständliche Hinweise herausgegeben.1
Da die Akkus der Powerstation nicht direkt zugänglich und mit schützender Elektronik umgeben sind ist es nahezu unmöglich, die gefürchteten, explosiven Kurzschlüsse der Akkupole zu bewerkstelligen. Es sei denn, man zerlegt die Powerstation oder zerstört sie mechanisch.
Die EB 120 enthält Li-Ionen-Akkus. Neuere Modelle oder auch die anderer Hersteller enthalten zunehmend Li-Eisenphosphat-Akkus. Diese Zellchemie erlaubt zwar nicht ganz so hohe Energiedichten wie Li-Ionen-Technik, und mithin sind die Geräte etwas größer und schwerer. Dafür kommen Li-Eisenphosphatzellen ohne Seltene Erden wie Cobalt aus, sind gut recycelbar, und sie sind weit sicherer als Li-Ionen-Zellen. Zudem vertragen sie meist wesentlich mehr Ladezyklen. Die modernsten chinesischen E-Autos werden inzwischen nur noch mit diesem Zelltyp ausgerüstet - der gesamte Unterboden besteht aus ihnen.
Fazit
Die Kombination von Balkonkraftwerk und Solar-Powerstation ermöglicht es, kostenlos geernteten Sonnenstrom auch ohne Sonne zu nutzen, die Stromrechnung weiter zu reduzieren und den schmutzigen Strom des Netzbetreibers weiter aus der Wohnung zu verdrängen. Das gelingt natürlich nur in einem begrenzten, aber nicht zu vernachlässigendem Maß.
Die Powerstation als transportable, kabellose Steckdose kann man nicht nur in Wohnung, Laube oder Werkstatt einsetzen, sondern bei trockenem Wetter auch im Freien. Im Gegensatz zu herkömmlichen, ineffizienten Notstromaggregaten leise, abgasfrei, kostenlos aufladbar sowie hoch effizient, heißt nahezu 100% Wirkungsgrad.
Die kleinsten Powerstations passen als Notstrom-Reisesteckdose in eine Handtasche.
Quellen