Gerichtsprozess gegen Letzte Generation
Chemnitz, 20/21.2.2025
Vorm Chemnitzer Amtsgericht standen 2 Aktivist*innen der Letzten Generation vor Gericht - wegen einer Farbaktion am Sitz der Deutschen Bank. Rückblickend ein Erlebnisbericht aus dem Gerichtssaal.
Die Farbaktion am 22.6.2023
Am frühen Morgen dieses Tages besprühten 2 Aktivist*innen der Letzten Generation Teile der Fassade des denkmalgeschützten Gebäudes der Deutschen Bank am Chemnitzer Falkeplatz1,2. Dazu füllten sie orangene Farbe - das Erkennungszeichen der letzten Generation - in Gloria-Feuerlöscher und setzten sie wieder unter Druck.
Die Gruppe wollte mit der Aktion auf das ökozidale Verhalten des Bankkonzerns und seiner Wertpapiertochter DWS aufmerksam machen, die trotz Klimakrise weiterhin die Geschäfte der fossilen Industrie in erheblichem Umfang fördert und ausbaut.
Die Aktion fand nicht nur lokal, sondern auch deutschlandweit Beachtung, etwa bei n-tv, Welt, Süddeutscher.
Die Farbspuren am Bankgebäude waren recht schnell wieder beseitigt worden.
Der Prozesstag 20.2.2025
Knapp 2 Jahre nach der Farbaktion kam es nun zum Gerichtsprozess im Justizzentrum, Gerichtsstraße 2.
Die Staatsanwaltschaft sah öffentliches Interesse und plädierte anfangs auf gemeinschaftliche Sachbeschädigung und 150 Tagessätze, was zu einer Eintragung im Bundeszentralregister geführt hätte. Mit einem solchen Eintrag gilt man als "vorbestraft" und ist damit in seiner Freiheit eingeschränkt. Im Raum stand ferner ein Schaden von 15.000 Euro.
Die Aktivist*innen begründeten in ihren Anträgen, warum sie zu dem Mittel griffen, das Bankgebäude zu besprühen. Wesentlich war hier persönliche Betroffenheit von der Klimakrise: Etwa das jugendliche Trauma, als sich vor ca. 10 bis 15 Jahren binnen weniger Minuten von 3 Seiten des Himmels eine Sturzflut ergoss und in kürzester Zeit die ganze Wohngegend im Wasser versank. Der betroffene Aktivist stand bis zum Bauch im schlammigen Wasser und konnte sich nur mühsam retten, während der Nachbar im Keller ertrunken wäre, hätten die Kellerfenster nicht dicht gehalten. Zwar kann ein solches Einzelereignis nur schwer auf die einzige Ursache Klimakrise zurückgeführt werden. Wissenschaftlich unbestritten ist jedoch, dass Wettextreme wie dieses häufiger und heftiger werden, je weiter die Klimakrise fortschreitet.

Inhaltlich behandelten die Anträge der Aktivist*innen die naturwissenschaftliche Grundlage und Menschengemachtheit der Klimakrise, das Verlesen - bzw. Selbstlesen - des 6. Sachstandsberichtes des Weltklimarates, Expertenanhörungen über das Verfehlen der deutschen Klimaziele, des ökozidalen Wirkens der Deutschen Bank, und der Notwendigkeit und Geeignetheit nicht-regelkonformen Protests (ziviler Ungehorsam ZU), um die Klimakrise einzudämmen, wenn man ihr durch spektakuläre Aktionen entsprechende Aufmerksamkeit verschafft. Es habe sich gezeigt, dass regelkonformer Protest nicht öffentlich wahrgenommen wird.
Die Synthese dieser faktischen Aspekte der Klimakrise mit persönlicher Betroffenheit, gepaart mit einer kurzweiligen Vortragsweise der Aktivist*innen machte den Prozess zu einem Grundlagenseminar zur Thematik Klima und Aktivismus, das eigentlich als Buch bzw. Theaterstück veröffentlicht werden sollte.
Das Urteil
Richter wie Staatsanwalt erkannten vollumfänglich die in den Anträgen geschilderte Faktenlage zur Klimakrise an.
Der im Raum stehende Schaden von 15.000 Euro war ein Mondpreis: Die Beseitigung der Farbschäden kostete laut eingereichter Rechnung 5.000 Euro. Es gibt ein Angebot für die Beseitigung von "Restschäden" von 3.000 Euro, dessen Bindefrist im Spätsommer 2023 auslief und das die Deutsche Bank nie abrief.
Der Richter kalkulierte daher eine fiktive Schadenssumme von 7.500 Euro.
Die Angeklagten wurden wegen einfacher Sachbeschädigung zu 90 Tagessätzen verurteilt - damit gelten sie nicht als vorbestraft. Zusätzlich haben sie die Verfahrenskosten zu tragen.
Strafmildernd war, dass die Aktivist*innen bislang keinen Eintrag im Bundeszentralregister haben, die Tat vollumfänglich zugaben und sich von Anfang an kooperativ zeigten, was auch der als Zeuge geladene Polizist bestätigte. Ferner konnte gemeinschaftliche Sachbeschädigung nicht nachgewiesen werden konnte, da nicht beweisbar war, dass beide Aktivist*innen vorsätzlich ein Denkmal beschädigen wollten.
Der Richter erkannte keinen Zusammenhang zwischen der Farbaktion und dem Handeln im Notstand (hier Klimanotstand), bei dem auch Gesetzesverstöße straffrei bleiben, wenn es zur Abwendung des Notstandes dient - sinngemäß: Farbe am Gebäude der Deutschen Bank verhindert keine fossilen Geschäfte. Das wäre anders bei Straßenblockaden oder dem Besetzen eines Waldes vor seiner Rodung: Bäume entziehen der Atmosphäre CO2, und bei stehenden Autos wird gewöhnlich der Motor abgestellt und daher CO2 vermieden.
Zu Gute hielt der Richter den Aktivist*innen, dass ihre Motive altruistisch und aufs Gemeinwohl gerichtet sind, wollten sie doch Aufmerksamkeit für die Klimakrise und ihre Bekämpfung erzeugen, um Schaden für sich selbst und die Allgemeinheit abzuwenden. Ihr Anliegen sei ernsthaft und nicht auf persönlichen Vorteil, Klamauk u.ä. ausgerichtet. Die Chemnitzer Morgenpost / Tag 24 berichtet dazu von einem "lobenswerten Motiv", das der Richter attestierte3.
Fazit
Wir freuen uns, dass die Aktivist*innen nicht als vorbestraft gelten.
Der Prozess selbst hat vielleicht keine Rechtsgeschichte geschrieben - beachtlich ist jedoch, dass Klimafakten und persönliche Betroffenheit von der Klimakrise gewürdigt wurden.
Entwürdigend und persönlichkeitsverletzend am Prozess war, dass die Aktivist*innen vor allen Zuschauern zu sehr persönlichen Details befragt wurden, etwa Unterhaltspflichten und Nettoeinkommen. Kann man so etwas nicht vorab per schriftlicher Anhörung klären? Aus solchen Informationen ziehen Boulevardpresse und Rechtsextremisten Neid und Hass.
Glosse
In der Pause äußerte sich ein Wachmann des Gerichts gegenüber Kollegen mit Verweis auf die Aktivist*innen, und mutmaßlich mit Verweis auf die anwesenden Zuschauer*innen, mit "linksgrünes Gesindel". Abgesehen vom beißenden Hass, der bei dem Wachmann geradezu greifbar war, konnten wir uns des Eindrucks nicht erwehren, dass es dort offenbar Gang und Gäbe ist, im Dienst - hier in der Rolle eines öffentlichen Bediensteten - so zu reden.
Spende
Es wurde ein Spendenkonto bei https://www.gofundme.com/ für die beiden Aktivist*innen eingerichtet.
Quellen
1 https://www.n-tv.de/politik/Aktivisten-bespruehen-Filiale-der-Deutschen…
2 https://www.tag24.de/chemnitz/lokales/letzte-generation-schlaegt-in-che…
3 https://www.tag24.de/justiz/gerichtsprozesse-chemnitz/letzte-generation…