Nicht bei der Jugend sparen - Offener Brief

P4F Chemnitz
P4F Chemnitz • 2 August 2023
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+++ Update: Stadt sichert Jugendhilfe +++

27.9.2023
Wir freuen uns darüber, dass die Jugendhilfe bis Ende 2024 nunmehr wie geplant  finanziert wird - trotz Haushaltsloch

https://chemnitz.de/chemnitz/de/aktuell/presse/pressemitteilungen/2023/669.html


Wir hatten angesichts der im Sommerloch 2023 bekannt gewordenen Kürzungspläne der Stadt bei der Jugendhilfe einen offenen Brief verfasst, nicht bei der Jugend zu sparen. Nach Herausgabe des Offenen Briefes wurde gar bekannt, dass 3 Einrichtungen schließen sollten.6

Nach unserem Offenen Brief gab es diverse Kommunikation.

Wir haben die Kommunikation  unterhalb des off. Briefes  dokumentiert. Lediglich den Personenbezug ist getilgt.


Nicht bei der Jugend sparen - Offener Brief

Chemnitz, 3.8.2023

Sehr geehrter Hr. Oberbürgermeister, sehr geehrte Stadträtinnen und Stadträte!

Presseberichten1 zufolge klafft aufgrund der Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst ein Haushaltsloch von 21 Mio €.

Um zum Lochstopfen einen Teil beizutragen  hat die Stadt Chemnitz die Jugendhilfeträger aufgefordert, freiwillig Kürzungen ihrer Arbeit vorzuschlagen - andernfalls würde die Stadt nach eigenem Gutdünken Mittel für 2024 kappen2.

Als Parents for Future unterstützen wir die Argumentation des Netzwerks für Kultur- und Jugendarbeit, das 78 Jugendhilfeträger repräsentiert, vollständig.

Trotz Haushaltsloch darf bei der Jugend nicht gekürzt werden - im Gegenteil: Jugendarbeit, speziell Jugendhilfe ist zu verstetigen und kalkulierbar zu halten.

Bitte bedenken Sie ferner:

Chemnitz und Umgebung ist leider eine Hochburg der Rechtsextremisten in Deutschland: mehrere Immobilien sind in deren Besitz4, Zuzug einschlägiger Kader3, NSU Unterstützerumfeld etc.pp.

Sie inszenieren sich im Alltag oft als freundliche Kümmerer5 und stoßen mit eigenen "sozialen Angeboten" in das Vakuum, das die öffentliche Hand hinterlässt.

In diesem Umfeld bedeutet Mittelkürzung bei der Jugendhilfe doppelten Schaden.

Mittelverstetigung und -aufstockung bringt doppelten Nutzen.

Per Jahresabschluss 2021 - ein neuerer liegt nicht vor - hat die Stadt Chemnitz Rücklagen von knapp 662 Mio. € bei einem Schuldenstand von ca. 101 Mio. €.

Ist angesichts dieser soliden Zahlen wirklich keine Möglichkeit vorhanden, die Jugendhilfe von der Mittelkürzung auszunehmen?

Wir dürfen die Jugend weder den Faschisten, noch der Klimakrise überlassen.

Parents for Future Chemnitz


Quellen

1https://www.tag24.de/chemnitz/millionen-loch-in-chemnitz-doch-ob-schulz…

2 https://www.nkjc.de/presse/presse-und-medien-detail/haushaltsdefizit-ge…

3 https://www.nw.de/nachrichten/zwischen_weser_und_rhein/23028255_Wieso-b…

https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2021/01/08/die-rechten-hausfreunde…

5 https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/rechtsextr…

6 https://www.tag24.de/chemnitz/politik-wirtschaft/aus-finanziellen-gruen…


Dokumentation, was im Nachgang des offenen Briefes geschah

 

Chemnitzer Morgenpost / Tag 24

Am 4.8. rief uns ein Journalist der Tageszeitung an, um über den off. Brief zu sprechen.

Frage:

Warum befassen sich Parents for Future mit der Jugendhilfe?

Antwort: 

Als "Parents" liegt uns die Zukunft der Kinder, Enkel und Urenkel am Herzen.

Die gefährdet ist durch Klimakrise, Nazikrise, Kürzungen etc.pp.

Das nehmen wir nicht hin!

 

Die Linke

Am 4.8. erhielten wir von der Partei diese e-Mail.

Liebe Akteur:innen,

vielen Dank für das deutliche Statement, mit dem Sie bei unserer
Fraktion offene Türen einrennen. Wir werden in den nächsten Wochen
intensiv nach Lösungen suchen.

Mit freundlichen Grüßen

....

 

CDU

Ebenfalls am 4.8. kam es zu einem Schriftwechsel mit dieser Partei, den wir nicht weiter fortführen. Bemerkenswert ist nicht nur deren Unsachlichkeit, sondern auch ihre Methode, hart arbeitende Menschen mit Sozialneid gegeneinander, und Klimaschutz gegen Jugendhilfe auszuspielen. 

Antwort der CDU auf den offenen Brief

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist immer wieder herzerfrischend offene Briefe von Ihnen zu lesen.
Leider zeigen Ihre Aussagen wenig Wissen über die Haushaltssituation der
Stadt Chemnitz und über die hier angesprochene Finanzierung der
Jugendhilfe nach § 11-16 SGB VIII. Vielleicht wäre es künftig besser
sich zunächst umfassend zu informieren und im Anschluss offene Briefe zu
verfassen, sofern dies dann in der vorliegenden Form überhaupt noch
möglich sein sollte.

Sie sprechen von einem Haushaltsloch von 21 Millionen Euro, dass durch die
hohen Tarifabschlüsse nicht gedeckt ist. Weiterhin schreiben Sie, dass die
vom Jugendamt vorgeschlagenen freiwilligen Einsparungen auf Seiten der
freien Träger in der Projektarbeit einen Teil dieser 21 Millionen Euro
reduzieren sollen.

Diese Aussage ist falsch. Im Haushalt sind für die Umsetzung des
Maßnahmeplanes der Projekte nach § 11-16 SGB VIII Zuschüsse eingeplant.
Dieser Betrag wurde im Haushalt 2023 auf ca. 14 Millionen Euro festgesetzt.
Für das Jahr 2024 wurde dieser Betrag im Haushaltsansatz erhöht. Nach
Prüfung aller Anträge der freien Träger ist der für das Jahr 2024
angesetzte Betrag jedoch nicht auskömmlich, um die komplette Antragssumme
der freien Träger zu decken. 

Die Deckungslücke im Bereich der Projekte nach § 11-16 SBG VIII würde
bei einem Ausgleich somit die 21 Millionen noch erhöhen. Übrigens ist
Ähnliches auch bei den Tochterunternehmen der Stadt Chemnitz zu erwarten,
sofern dort die Lücke nicht durch den Geschäftsbetrieb ausgeglichen
werden kann. 

Natürlich können Stadträte den Haushaltsansatz in Einzelbereichen bei
Bedarf erhöhen. Hierfür müssen sie jedoch Deckungsquellen benennen. Da
der Haushalt für die Jahre 2023/2024 bereits ein Defizit von über 100
Millionen Euro aufwies, welches aus der Rücklage gedeckt wurde und nun
weitere Defizite auf Grund der Tarifabschlüsse entstanden, ist es völlig
unrealistisch für einen Stadtrat Deckungsquellen in Höhe von ca. 700.000
Euro zu benennen. 

Deshalb gab es im Unterausschuss die Idee von freiwilligen Einsparungen, da
sonst die Schließung von Projekten sehr wahrscheinlich ist. Freiwillige
Einsparungen müssen nicht zu einem Qualitätsverlust führen. Sie sind im
Anbetracht der Alternative der bessere Weg. 

Abschließend empfehle ich Ihnen einen Blick in die neuen Tariftabellen des
TVöD SuE nachdem die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich der
Jugendhilfe maximal bezahlt werden können. Ein Schulsozialarbeiter mit 15
Jahren Berufserfahrung bezieht dann ein monatliches Gehalt von 5.139 Euro
zzgl. Jahressonderzahlung. Das entspricht einem Jahresgehalt von über
65.000 Euro. Ein Erzieher hat mit dem neuen Tarifabschluss ebenfalls mit 15
Jahren Berufserfahrung ein Jahresgehalt von knapp 57.000 Euro. Mit 15
Jahren Berufserfahrung ist man in der Regel noch keine 40 Jahre alt. Das
Mediangehalt in Sachsen liegt bei ca. 3.100 Euro. Im überlasse Ihnen die
Einschätzung, ob es hier nicht tatsächlich Einsparpotential gibt. 

Abschließend empfehle ich Ihnen einen Blick in die beschlossene
Haushaltssatzung der Stadt Chemnitz (Stadtratssitzung vom 22.03.2023). Hier
sehen Sie, die voraussichtliche Entwicklung des Haushaltes auch in den
nächsten Jahren. Die Schulden steigen und die Rücklage wird bereits unter
Berücksichtigung der mittelfristigen Finanzentwicklung aufgebraucht. 

Die von mir hier genannten Fakten und Zahlen sind keine Geheimnisse oder
Neuigkeiten. Sie wurden in öffentlichen Sitzungen des Stadtrates und
seiner Ausschüsse bekanntgegeben und sind über das Ratsinformationssystem
zu recherchieren.  

Mit freundlichen Grüßen
.....

PS: Wieviel Millionen Euro sollte der Stadtrat gemäß Forderung von Ihnen
für zusätzliche Maßnahmen des Umweltschutzes in den Haushalt einstellen?
Wie hoch wäre dann das Defizit ausgefallen und sollten wir Stadträte den
Haushalt nicht komplett ablehnen?
 

Replik auf die CDU Antwort

Sehr geehrt .......,

vielen Dank für Ihre Rückmeldung, und die Mühe, die Sie sich mit Ihrer detaillierten Beschreibung gemacht haben.

Dass die tarifliche Bezahlung höher ist als der sächs. Medianlohn ist klar, liegt doch die Tarifbindung in Sachsen an Deutschlands unterem Ende. Wie die Geschichte der BRD und die ökonometrische Forschung zeigt sichern Tariflöhne nicht nur Wohlstand für die breite Bevölkerung, sondern befeuern auch die Inlandsnachfrage. Damit ist guter Tariflohn für gute Arbeit einer der besten Konjunktur-Stimuli, wie auch Einnahmequellen für unser Gemeinwohl in Gestalt von Steuern und Sozialabgaben. Ziel muss es sein, dass der Medianlohn steigt, wir aus der Falle schlechter Lohn für gute Arbeit herauskommen. Im Übrigen können wir Ihrer Neiddebatte gegen Tarifbeschäftigte, aber auch Sozialarbeitende, denen "dank" diskontinuierlicher Projektfinanzierungen nur allzu oft befristete, prekäre Arbeitsverhältnisse aufgezwungen werden, nicht folgen.

Zum Haushalt: Bei Rücklagen von über 600 Mio EUR und Schulden von 100 Mio EUR Stand 31.12.2021 sollte sich die projizierte Verschuldung bis 2027, deren Maximum im Jahr 2023 mit ~200 Mio EUR erreicht sein wird, wohl verkraften lassen. Insbesondere die erwähnten, zu deckenden 0,7 Mio EUR.

Dass in den Haushaltsunterlagen im Kontext Rücklagen das Wort "verplant" auftauchte entging uns bei deren Studium nicht.

Pläne und dahinter liegende Prioritäten kann man ändern, insbesondere wenn sich Rahmenbedingungen verschieben.

Dass durch Mittelkürzungen kein Qualitätsverlust entstehen soll ist ein Märchen. Vielmehr bedarf es im Vorhinein kluger Investition, um im Nachhinein Qualitätsverbesserungen und damit nachhaltige Kostensenkung ernten zu können.

Die Jugend muss Priorität haben!

Die Stadt muss die Jugendhilfe priorisieren und von der ins Haus stehenden Kürzung ausnehmen!

Beste Grüße

Parents for Future Chemnitz

 

Antwort der CDU auf unsere Replik

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihre Äußerungen zeigen mir immer mehr, dass Sie offensichtlich glauben,
das Geld fällt vom Himmel. Ich habe mit der Nennung der Gehälter gemäß
TVöD SuE ab 2024 keine Neiddebatte geführt.

Vielmehr stellt sich für mich die Frage, was sich eine Gesellschaft
leisten kann. Das betrifft vor allem Berusfelder, die komplett durch
Steuermittel finanziert werden.

Ich bin mir sicher, dass beispielsweise ein Schulsozialarbeiter oder ein
Erzieher mit diesen im Gesamtkonttext extrem überdurchschnittlichen
Gehältern in der aktuellen Größenordnung nicht mehr dauerhaft zu
finanzieren sind.

Die Beitragsbemessungsgrenze für die Krankenversicherung liegt in diesem
Jahr bei 4.987,50 Euro. Diese greift bekanntlich erst bei sehr hohen
Gehältern. Über 85 Prozent der deutschen Bevölkerung hat keine 65.000
Euro Jahresgehalt. Das sind Tatsachen.

Diese Geld muss erwirtschaftet werden in einem Umfeld geprägt von
Rezession. Natürlich kann man Einsparungen ohne einen Qualitätsverlust
durchführen. Das ist kein Märchen. Außerdem scheinen Sie noch immer
nicht verstanden zu haben, dass es eben keine Mittelkürzungen sind. Kein
einziger Euro für die Jugendhilfe im Haushalt wird gekürzt!

Stellen Sie endlich diese Fehlbehauptungen ein. Das betrifft auch Ihre
nicht haltbaren Aussagen zu Schulden und Rücklagen.

Mit freundlichen Grüßen
......

PS: Wessen Geistes Kind Sie alle sind, zeigt mir persönlich die Nutzung
der Abkürzung BRD. Diese war vor 1989 in der Bundesrepublik nur bei sehr
linken Gruppen in Gebrauch und auch heute nutzt man diese Abkürzung im
Sprachgebrauch eher nicht. Übrigens hatte vor 3 Monaten bei Ihnen noch der
Klimaschutz die Priorität. Langsam müssen Sie sich entscheiden. Einen
Euro kann man immer nur einmal ausgeben.