Interview mit Sibylle Röth - DIE LINKE

Jens Mühlhoff
Jens Mühlhoff • 22 August 2021
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1.Wie stehen Sie zu einem Treibhausgas Emissionsbudget, stimmen Sie einer solchen Festlegung zu und welche Größe sollte es haben?

Unser Ziel ist es, dass die Industrie bis 2035 klimaneutral, nachhaltig und energieeffizient produziert. Dafür müssen den Konzernen mit verbindlichen Klimaziele und Emissionsgrenzen klare Vorgaben gemacht werden. Auch die Möglichkeit des Emissionshandelts als Schlupfloch lehnen wir ab. Ziel muss sein, dass die Bundesrepublik ihren Emissionsausstoß 2030 auf maximal 80 % vom Wert von 1990 reduziert hat. Das wollen wir gesetzlich festschreiben. In der Pflicht sehen wir dabei primär die Großkonzerne, die den Löwenanteil der Emissionen verursachen. Gesamtgesellschaftlich aber muss der Umbau durch Förderprogramme und staatliche Investitionen ermöglicht werden.

2.Stimmen Sie einem CO₂-Preis der bis 2030 auf 195€/t CO2 ansteigt zu?
Die Sache ist die, dass wir die Steuerung über Marktmechanismen prinzipiell kritisch sehen. Denn klar ist, wer es sich leisten kann, kann es sich dann weiterhin leisten – und wer es sich nicht leisten kann, wird eben stärker belastet und eingeschränkt als zumutbar. Da die großen Co2-Ausstöße eindeutig von einigen wenigen kommen, halten wir also eine direktere Steuerung als über den Preis für möglich. Wir setzen auf eine konsequente Energiewende – auf klare ordnungspolitische Vorgaben, Ausstiegsdaten und Grenzwerte –, statt auf Anreizstrukturen. Zugleich wollen wir eher Investieren, als sanktionieren! Einen Umbau des gesamten Wirtschaftssystems, statt einer einzelnen Konsumsteuer, deren Wirksamkeit nicht einmal klar ist.

Was in der Auseinandersetzung mit den Vorschlägen der Grünen aber zu kurz kam, ist das dort bereits ein Sozialausgleich vorgesehen wurde. Darüber lässt sich durchaus reden. Es muss aber eben ein zuverlässiges Instrument sein und ich verstehe die Sorgen der Vielen, die fürchten, dass am Ende doch sie als Kleinverbraucher die Zeche zahlen, während es die Industrie wieder einmal schafft, sich wegzuducken.



3.Möchten Sie Steuer-Privilegien und Subventionen für fossile Brennstoffe abschaffen?

Ja. Wir fordern, dass öffentliche Gelder umgehend aus Anlagen in Unternehmen der fossil-atomaren Energiebranche abgezogen werden. Außerdem müssen all die Industrierabatte bei Ökosteuer, Netzentgelten, Emissionshandel und im Erneuerbare-Energien-Gesetz entfallen, da sie den notwendigen Strukturwandel aufhalten. Das Geld, dass dabei eingespart wird, wollen wir in eine sozial-ökologische Wende investieren, die allen zugutekommt. Jede Förderung und Subventionierung muss an klare sozial- und klimapolitische Vorgaben geknüpft sein. Das erfordert beispielsweise auch eine Umwandlung der Pendlerpauschale. Damit das nicht zu sozialen Härten führt, wollen wir sie nicht abschaffen, sondern in ein soziales und ökologisches Mobilitätsgeld umwandeln, das Anreize zur Nutzung des ÖPNV bietet (-der dazu massiv ausgebaut werden muss).

 

4. Würden Sie in den nächsten Jahren Maßnahmen zur Förderung regenerativer Energien in Angriff nehmen und wenn ja, welche?

Ja. Denn um dem Klimawandel entgegen zu treten und den Kohleausstieg bis spätestens 2030 umzusetzen, müssen natürlich die erneuerbaren Energien bis dahin massiv ausgebaut werden: Der Ökostromanteil muss so schnell wie möglich auf 100 Prozent erhöht werden. Dafür wollen wir in den Jahren bis 2025 pro Jahr mindestens 10 Gigawatt (GW) Photovoltaik installieren, sowie 7 GW Windenergie an Land und 2 GW auf See. Um das zu erreichen, bedarf es zielgerichteter staatlicher Investitionen und mittelfristig einen grundlegenden Umbau der Energiewirtschaft

Drei Beispiele:

Die Energiewende wird nur dann funktionieren, wenn sie die Bürger:innen mitnimmt. Deshalb wollen wir eine strukturelle Reform des EEG, damit die Kosten nicht am Ende beim privaten Verbraucher landen. Auch für Kleinbetreiber und Kommunen muss die Beteiligung an der notwendigen ökologischen Wende rentabel sein. Bislang sind beispielsweise Ausschreibungssysteme für Bürgerenergieprojekte teuer, riskant und aufwendig. Zugleich wollen wir Mietergemeinschaften und Hauseigentümer bei der Stromversorgung durch Photovoltaikanlagen unterstützen. Neubauten müssen von Anfang an, Bestandsbauten wo immer möglich für die eigene Solarstromerzeugung ausgerüstet werden.

Mittelfristig muss die Energieversorgung demokratisch und selbstverwaltet gestaltet werden, statt Profitinteressen zu gehorchen. Wir wollen die Energiewende bürgernah gestalten: Etwa durch Windparks in Bürgerhand, Energiegenossenschaften und durch die kommunalen Stadtwerke. Dazu gehört auch ein Kaufrecht auf die von ihnen für die Energieerzeugung und -eigenversorgung genutzten Netze. Und schließlich sollen externe Investoren verpflichtet sein, ihren Standortgemeinden Beteiligungen anzubieten, um die Stromversorgung zu kommunalisieren.

Am preiswertesten und umweltfreundlichsten ist aber der Strom, der gar nicht erst verbraucht wird. Hier wollen wir Energieeffizienzstandards für Geräte, Gebäude und die Produktion einführen und den entsprechenden Umbau durch eine Energieeffizienzfonds – gerade für diejenigen, die es sich sonst nicht leisten können – fördern.

 

5. Würden Sie sich für ein Tempolimit als kostengünstige und einfache Variante der CO2 Einsparung einsetzen? Falls Nein, nennen Sie bitte konkrete Gründe, die dagegen sprechen?

Ja. Wir sehen ein Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h auf Landstraßen und eine Regelgeschwindigkeit von 30 km/h innerorts vor. Das ist sowohl für die Umwelt, als auch für den Schutz von Menschenleben gut.

Der Verkehrssektor bietet aber noch weit mehr Potenzial für die sozialökologische Wende. Es geht nicht nur um einzelne Maßnahmen, wie Tempolimit, Dieselverbot in Städten oder den Umstieg auf andere Antriebssysteme. Vielmehr zeigt sich gerade hier, dass sozial und ökologisch Hand in Hand geht und einen echten Gewinn an Lebensqualität für alle bedeuten kann. Wir wollen nicht nur den motorisierten Individualverkehr zurückdrängen – wir wollen eine echte Alternative aufbauen. Dafür bedarf es umfassender Investitionen und gut geplanter Konzepte für die Schiene, den ÖPNV, das Radverkehrsnetz und attraktivere und sicherere Fußwege. Wir wollen, dass mittelfristig tatsächlich niemand mehr auf das eigene Auto angewiesen ist.

 

6.Sind Sie bereit sich für...
a) die Ökologisierung der Landwirtschaft einzusetzen?
b) eine Treibhausgassenkende Landwirtschaft stark zu machen?
c) die klein bäuerlichen Betriebe stärker zu fördern?

a.[Ökologisierung]

Wir wollen die bäuerliche, genossenschaftliche und ökologische Landwirtschaft fördern und insbesondere die Ökolandbau bis 2030 auf mindestens 25 % der Agrarfläche ausbauen. Dafür bedarf es u.a. einer grundlegenden Reform der EU-Agrarpolitik ein. Wir wollen natur- und umweltzerstörende Subventionen abbauen und die freiwerdenden Gelder in Natur- und Umweltprogramme investieren. Subventionen sollen in Zukunft an klare Umwelt- und Sozialkriterien und an den Tierschutz gebunden werden. So können beispielsweise Betriebe gefördert werden, die einen besonderen Beitrag zum Schutz von Klima, Böden, Nutztieren und Biodiversität leisten. Zugleich setzen wir uns auf EU-Ebene für eine starke Reduzierung der Tierhaltung und eine Halbierung des Pestizideinsatzes bis spätestens 2030 ein. Um den Wandel zu unterstützen, sollen einerseits Förder- und Weiterbildungsprogramm für Landwirte*innen entwickelt, andererseits klare Kontrollen durch entsprechendes Fachpersonal durchgeführt werden.

b. [Treibhausgas Senkung]

Wir setzten auf regionale Produktion und Vermarktung und reduzieren damit auch Transporte. Das gilt etwa auch für die Tiermittelproduktion, der keine tropischen Wälder mehr zum Opfer fallen sollen. Auch indem wir klare Obergrenzen für die Tierhaltung setzen wollen, reduziert sich die Treibhausgasproduktion.

Zudem müssen Wälder und Moore geschützt und renaturiert werden. Nur dann können sie als Co2-Senken dienen und einen wichtigen Beitrag zu unseren Klimazielen leisten.

 

 

c.[kleinbäuerlich]

Wir streben an kleine regionale Betriebe, ganz besonders auch genossenschaftliche Landwirtschaft, Formen der solidarischen Landwirtschaft sowie Erzeuger- und Vermarktungsgemeinschaften zu unterstützen. Wichtig erscheint uns dafür eine Reform des Zugangs zu Land. Hier soll sowohl die Verpachtung als auch der Verkauf so geregelt sein, dass nachhaltig wirtschaftende, regionale Erzeuger Vorrang vor Großinvestoren haben – und das zu fairen Konditionen.

Zugleich wir wollen wir regionale Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen als Gegenstrategie zur Marktmacht Großkonzernen fördern, deren Einfluss wir durch ein effektives Kartellrecht beschränken.

Auch wenn Subventionen gerade zur Steuerung des Umbaus weiterhin notwendig erscheinen, streben wir langfristig doch Produktpreise an, die den tatsächlichen Produktionskosten entsprechen. Denn nur so wird sich eine kleinteilige Landwirtschaft gegen die Konkurrenz halten können. Das bedarf aber wiederum einer sozialen Abfederung, denn auch das regionale Biogemüse darf nicht zum Luxus werden, den man sich erst mal leisten können muss.