Chemnitzer Klimamanager? Sofort, unverzüglich!

P4F Chemnitz
P4F Chemnitz • 9 Dezember 2021
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Chemnitzer Klimamanager?
Sofort, unverzüglich!

Chemnitz, 9.12.2021

Vorwort

Die Klimapolitik unserer Stadt hat einerseits durchaus Positives hervorgebracht - andererseits ist sie Stiefkind. Als plakatives Beispiel für Letzteres mag gelten, dass es nicht möglich ist, in der Stadt ein Klimabanner zu hissen, aus ganz unterschiedlichen und fadenscheinig anmutenden Gründen.

Klimabanner "Chemnitz fürs Klima" mit Weltkugel, gehalten von Händen diverser Hautfarben
Klimabanner, das nicht gehisst werden darf

Positiv ist bspw. der Klimaschutzbericht der Stadt1 - ein Juwel, erarbeitet von hoch kompetenten Fachleuten der Verwaltung - kaum Gegenstand von sichtbarem Diskurs und Debatte in breiter Öffentlichkeit. Und das, obwohl sich die Klimakrise immer weiter verschärft.

Der Bericht sollte der wichtigste Kompass für das Handeln des Oberbürgermeisters sein.

Was wäre zu tun, damit das Klima - im Gegensatz zur Chemnitzer DNA, der Autostadt - aus der Stiefkindecke heraus kommt?

In Form einer Stellenbeschreibung für die, inzwischen zum 2. Mal neu zu schaffende Stelle des Klimamanagers wollen wir das zeigen. 

Zuvor steigen wir aber in eine Polemik vom Potemkinschen Klimadorf ein.

Potemkinsche Klimadörfer von Chemnitz

Es sollte sie längst geben - die Stelle des Chemnitzer Klimamanagers. Per Stadtratsbeschluss Nr. BA-060/2019 vom 27.11.2019 mit überwältigenden 44 Ja- und 12 Nein-Stimmen beschlossen, sollte die Verwaltung die Stelle aufbauen2. Bislang nie besetzt, wurde sie zwischenzeitlich eingespart - um sie wieder zu schaffen: Am 15.12.2021 soll zum 2. Mal abgestimmt werden3. Sicherlich mit überwältigender Mehrheit - wer bislang mit Ja gestimmt hat kann zur gleichen Frage nicht Wochen später mit Nein stimmen. Oder doch?

Als demokratieverwöhnte Bürger*in reibt man sich die Augen: Warum muss erneut beschlossen werden, was längst beschlossen wurde? Kann man sich noch auf Beschlüsse demokratisch gewählter Mandatsträger*innen verlassen, wenn sie im Nachhinein zurückgedreht werden? Lässt sich hier der Stadtrat - mal wieder - von der Stadtverwaltung vorführen?

Weiter geht's: Chemnitz ist trotz eingespartem Klimamanager in einer Liste vorbildlicher Kommunen4 geführt, die einen Klimamanager haben. Und der Klimamanager hat sogar einen Namen!

Wie jetzt? Gibt es die Stelle etwa schon? Muss sie noch geschaffen werden? Wurden einem Mitarbeiter zusätzlich zu seinen vorhandenen Aufgaben weitere Tätigkeiten übergeholfen? Klimamanager als Nebenaufgabe wie Baumpaten- und Gießsackbetreuung, vielleicht noch ehrenamtlich? Fragen über Fragen.

Das ist nicht die einzige Posse: Es gibt jede Menge, nicht nur klimarelevante Stadtratsbeschlüsse, die von der Verwaltung nie umgesetzt wurden. Jüngstes Beispiel ist die Ignoranz des Beschlusses zum Abfall-Entsorgungszyklus11.

Abbildung eines Potemkinschen Dorfs - hier als Fassadenanstrich der Vorderseite eines ansonsten baufälligen Gebäudes
Bild eines Potemkinschen Dorfes

Eigentlich würden wir vom Stadtrat erwarten, dass er nachverfolgt, ob Beschlüsse umgesetzt werden, und nicht, dass sie zum Potemkinschen Dorf werden.

Schon passiert, aber nicht zu erwarten ist, dass sich Menschen der Stadtverwaltung bei den Parents for Future über Nichtumsetzung von Beschlüssen beschweren müssen. Als berufstätige Menschen mit Familie haben wir nicht die Zeit, die Vielzahl der Stadtratsbeschlüsse nach "Klima" zu filtern und die Umsetzung nachzuverfolgen.

Hiermit beenden wir die Polemik.

 

Stellenbeschreibung für den Klimamanager

Die im Folgenden beschriebenen Aufgaben sollte unserer Meinung der Chemnitzer Klimamanager erfüllen.

Ein Klimamanager braucht aufgrund von Größe und Bedeutung der Aufgabe Richtlinienkompetenz und Mitarbeiter - ganz analog zum Finanzbürgermeister. Natürliche Ressourcen der Stadt sind ebenso begrenzt wie der Finanzhaushalt. Nur sehr viel wichtiger!

Ein Klimamanager müsste also eine Klima- oder Nachhaltigkeitsbürgermeister*in sein.

Angesichts der planetaren Übernutzungskrise ist der nachhaltige Umgang mit natürlichen Ressourcen entscheidend fürs Überleben der Menschen, weshalb eine Klima- und Nachhaltigkeitsbürgermeister*in ein allgemeines Vetorecht innerhalb der Verwaltung benötigt. Sie bzw. er braucht ein direktes Eingriffsrecht in die Arbeit der Verwaltung, um ggfls. Aufgaben entsprechend des Schutzes der Lebensgrundlagen zu definieren, zu ordnen und zu priorisieren.

Was sind die Aufgaben eines Chemnitzer Klimamanagers bzw. Klima- und Nachhaltigkeitsbürgermeister*in? Unserer Ansicht nach muss sie bzw. er

  • die Arbeit auf aktuelle, wissenschaftlich anerkannte Fakten zur planetaren Übernutzungskrise mit ihren Leitsymptomen Artenaussterben und Klima stützen
  • organisieren, dass in Verwaltung und Stadtrat elementare Kenntnisse zur planetaren Übernutzung, und über den jeweils aktuellen Chemnitzer Klimaschutzbericht zum Allgemeinwissen gehören
  • als Ansprechpartner innerhalb der Verwaltung Beratung für Fachämter, z.B.  Bauwesen und Verkehrsplanung organisieren, damit Klimaschutz und Nachhaltigkeit von Beginn an und mit oberster Priorität im Verwaltungshandeln berücksichtigt wird 
  • organisieren, dass Chemnitz unverzüglich, sofort einen Klimaneutralitätsplan 2035 mit 8% jährlicher Reduktion der CO2-Emissionen auflegt, und dass erste, schnell umsetzbare Maßnahmen (low-hanging fruits) schon in der aktuellen Haushaltsperiode 2021/22 umgesetzt werden. Die Notwendigkeit der Klimaneutralität 2035 mit 8% jährlicher CO2-Reduktion ergibt sich aus der Studie des Wuppertal-Instituts9 und unserem Blogartikel Was bedeutet Paris für Chemnitz10
  • organisieren, dass die Verwaltung den Beschluss "Klimaauswirkungen in Beschlussvorlagen" 5 endlich umsetzt 
  • zusammen mit dem Finanzbürgermeister die finanzielle Steuerbarkeit und Budgetierung des Chemnitzer Klimaschutzes sicher stellt - das ist momentan unmöglich, da Klimaschutz nicht explizit ausgewiesen wird und ein buchhalterisches Schattendasein fristet 6
  • sich überörtlich und überregional gemeinsam mit anderen Klimamanagern und Klimabürgermeister*innen dafür einsetzen, dass Klimaschutz und Nachhaltigkeit durch Bund und Länder zur kommunalen Pflichtaufgabe mit stetigen Mittelzuweisungen wird - nur damit lässt sich die Finanzfalle "Klimaschutz nach kommunaler Kassenlage" aufbrechen 6
  • helfen, Klima- und Nachhaltigkeitsmaßnahmen der Stadt zu ermöglichen und umzusetzen, und die Umsetzung kontrollieren und einfordern
  • die Chemnitzer Klimapolitik mit anderen Kommunen des Umlandes und Sachsens vernetzen und koordinieren, denn Klima- und Umweltprobleme machen vor Stadtgrenzen nicht halt
  • organisieren, dass Bürgern, Wirtschaft und Institutionen außerhalb der Verwaltung der Schutz der Lebensgrundlagen ermöglicht wird, z.B. durch Förderung, geeignete Formate der Kommunikation
  • Bildungsangebote für Bevölkerung, Kindergärten, Schulen und andere Einrichtungen in geeigneten Formaten organisieren 

Diese Aufzählung ist sicher nicht vollständig, möglicherweise geht sie über den Rahmen von Verwaltungsvorschriften hinaus.

Wichtig an unserer Stellenbeschreibung ist, dass sich Bedeutung und Dringlichkeit der notwendigen Aufgaben, die wir sehen, deutlich abzeichnen. 

Aufforderung an Stadtrat und Verwaltung

Schaffen Sie sofort, unverzüglich die Stelle eines Klimamanagers und statten Sie diese mit ausreichend Kompetenzen aus.

Werten Sie die Stelle zum Klima- und Nachhaltigkeitsbürgermeister auf.

Klima- und Nachhaltigkeitsbürgermeister gibt es schon einige in Deutschland, bspw. in Würzburg und Heidelberg.7,8

Da Chemnitz als Kulturhauptstadt Zukunftsweisendes vorzustellen hat wäre eine Klimabürgermeister*in, die einen Klimaneutralitätsplan 2035 inklusive erster umgesetzter Maßnahmen auf den Weg bringt, eine innovative, ganzheitliche und schlüssige Sache.

Die Schaffung der Stelle selbst reicht natürlich nicht - sie sollte nicht nur gute Bewerber anlocken, sondern die Besetzung muss auch zügig und zielorientiert erfolgen.

Als wichtigste Persönlichkeitseigenschaften der Kandidat*in erscheinen Teamfähigkeit, Durchsetzungsstärke und Überzeugungskraft, auch gegenüber einem Ober- und Finanzbürgermeister, sowie die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte leicht zu erfassen und einfach zu erklären.

Entscheidend ist, dass Chemnitz 2035 klimaneutral wird und die CO2-Emissionen um 8% jährlich senkt.


Quellen

Bild des Potemkinschen Dorfes: https://de.wikipedia.org/wiki/Potemkinsches_Dorf

1 7. Klimaschutzbericht der Stadt Chemnitz, September 2021 https://session-bi.stadt-chemnitz.de/vo0050.php?__kvonr=6976119&voselect=106136

2 Niederschrift Stadtratssitzung vom 27.11.2019 https://session-bi.stadt-chemnitz.de/vo0051.php?__kvonr=6973987

3 Beschlussantrag der Fraktionsgemeinschaft Bündnis 90 / Die Grünen https://session-bi.stadt-chemnitz.de/vo0050.php?__kvonr=6976169&voselect=106130

4 https://www.saena.de/klimaschutzmanager.html

5 https://session-bi.stadt-chemnitz.de/vo0050.php?__kvonr=6974504

6 https://parentsforfuture.de/de/node/3120

7 https://www.br.de/nachrichten/bayern/bilanz-bayerns-erster-klimabuergermeister-ein-jahr-im-amt,SWG0rPy

8https://www.rnz.de/nachrichten/heidelberg_artikel,-heidelberg-das-ist-der-neue-klimabuergermeister-und-was-er-erreichen-will-_arid,559710.html 

9 https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/5169

10 https://parentsforfuture.de/de/node/3029

11 https://www.cdu-ratsfraktion-chemnitz.de/pressemitteilungen PM vom 8.9.21 "Stadtverwaltung ignoriert gefassten Beschluss des Stadtrates!"