Mehr Raum fürs Fahrrad
Radfahrer-Demo von der Müllerwiese zum Wochenmarkt am Glashaus: Mehr als 50 Teilnehmer fordern raschere Umsetzung der Mobilitätswende vor Ort
„Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Straßen klaut“, riefen die mehr als 50 Teilnehmer der Rad-Demo auf dem Weg zum Markt am Glashaus. Foto: Ludwig GNZ
Gelnhausen (jol). Mehr als 50 Menschen haben am Samstag an einer Rad-Demo von der Müllerwiese in Gelnhausen zum Wochenmarkt am Glashaus in Altenhaßlau teilgenommen. Ein Bündnis um die People for Future Gelnhausen hatte zu dieser Aktion eingeladen, um den Forderungen nach einer rascheren Umsetzung der Mobilitätswende vor Ort mehr Nachdruck zu verleihen.
Mehr als 50 Teilnehmer versammelten sich am Samstagmorgen am Eingang der Müllerwiese, um sich lautstark und gut sichtbar für die Mobilitätswende einzusetzen. „Wir haben mit dem ADFC und weiteren Freunden 80 Maßnahmen zusammengestellt“, berichtete Andreas Hlasseck als Sprecher der People for Future. „Die Stadtverordneten haben diese Maßnahmen beschlossen. Passiert ist bis auf einige Randsteinabsenkungen aber nichts.“ Es sei jedoch keine Zeit mehr, diese Verbesserung für die Radfahrer in Gelnhausen auf den Weg zu bringen. Mit Blick auf den Klimawandel könne man sich keinen Aufschub mehr leisten. Und das Rad sei ein wichtiger Teil der Lösung. „Das Radfahren hat nicht nur eine gute soziale Komponente“, verwies Andreas Hlasseck darauf, dass man in den rollenden Stahlkäfigen, die Auto genannt werden, kaum mit anderen in Kontakt kommen könne. „Radfahren ist auch sehr gesund.“
Gerade kurze Wege seien mit dem Fahrrad sehr viel angenehmer zu überwinden als mit dem Auto. „Und nebenbei retten wir das Klima und die Natur.“ Und so müsse man dem Fahrrad in der Stadt mehr Raum geben. „Ein Auto weniger bedeutet, dass es Platz für zehn Fahrradfahrer gibt.“ Dabei hoffen die People for Future, die bei der Aktion unter anderem vom ADFC, Hand aufs Herz und Amnesty International unterstützt wurden, auf gute Lösungen im Sinne der Menschen und der Natur und nicht für die wirtschaftlichen Interessen rund ums Automobil. Wohlstand auf Kosten der Gesundheit und Freiheit anderer sei kein Wohlstand, den es zu erhalten gelte. Es müssten Wege gefunden werden, neuen Wohlstand ohne die Nachteile der Ausbeutung von Mensch und Umwelt zu finden. Sich ein gutes Gewissen zu verschaffen, im „Paradieschen“ Bioprodukte zu erwerben, dorthin aber mit dem spritfressenden SUV zu fahren, sei eine unverantwortliche Beruhigung des eigenen Gewissens.
Hier forderte die Initiative, die Unterführung an der Flutbrücke der Eisenbahnstrecke so schnell wie möglich wieder für Fahrradfahrer passierbar zu machen, damit der Weg zum Markt wieder mit dem Fahrrad gut und sicher angegangen werden könne. Ein von Dorothee Schäfer-Bier gemietetes Lastenrad einer Solarinitiative aus dem Kahlgrund wurde als gutes Beispiel gesehen, wie Mobilität aussehen kann. „Uns ist klar, dass wir nicht alle Strecken mit dem Rad angehen können. Aber brauchen wir dann alle noch ein Auto, oder können wir eins mieten, wenn wir es brauchen?“, sagte Andreas Hlasseck.
„Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Straßen klaut“, riefen die mehr als 50 Teilnehmer auf ihren Velos auf dem Weg von der Müllerwiese hin zum Markt am Glashaus, der mit vielen regionalen Produkten zeigt, wie eine Reduzierung von Transportdistanzen einen weiteren Beitrag leisten kann. Gut gesichert von der Polizei, hatten die Radfahrer ausnahmsweise Vorfahrt und nutzten diese.
Am Markt wartete Dirk Wehrsig, der im Namen der neuen Gruppe Pyschologists for Future MKK sprach. Er wies darauf hin, dass es durchaus verständlich sei, dass es eine Angst vor Veränderung oder etwas Neuem gebe. Hier müsse man gemeinsam an einer guten Einstellung arbeiten. Dabei gehe es, so wie auch beim Ausbau von Fahrradwegen, sehr um ein objektives Sicherheitsgefühl, dem man gerecht werden müsse. Deshalb sah es Dirk Wehrsig als wichtig an, dass sich Psychologen daran beteiligen, nicht nur technische, sondern auch mentale Wege zu finden, sich dem Klimawandel zu stellen und die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Mobilitätswende jetzt! Auch in Gelnhausen
Mit dem Fahrrad von der Müllerwiese zum Glashaus
„Radfernweg R3 – und dann??? Wo ist nochmal der Radweg zur schönen Innenstadt mit Ober- und Untermarkt Gelnhausens?“ fragen die Initiatoren der Fahrradaktion. „Haben Sie schon mal mit dem Fahrrad versucht, das Paradieschen oder samstags den Wochenmarkt am Glashaus zu erreichen, weil Sie ökologisch und/oder regional einkaufen möchten? Allen ist mittlerweile klar, dass wir Menschen unsere Welt, in der wir auch zukünftig noch leben möchten, nicht durch Mobilität mit fossilen Energien gestalten können. Ein Einkauf in oder Besuch von Gelnhausen mit dem Fahrrad hat die CO2-Belastung von NULL! Aber wenn die Lokalpolitik sich Gedanken über die Wiederbelebung der Ziegelhaus-Region macht, geht es weiterhin fast ausschließlich um die Erreichbarkeit mit dem AUTO, um Parkhäuser und -plätze! Ist das zeitgemäß? Fast jede mittlere oder große Stadt in Deutschland bietet ausgewiesene Fahrradwege an. Fahrradstädte wie Heidelberg und Münster machen es vor.“
Für das Wochenende am 18./19.6.2022 haben einige Umweltverbände wie der BUND und der ADFC zu einer bundesweiten Aktion „Mobilitätswende jetzt!“ aufgerufen. Weil es in Gelnhausen dringend nötig sei, findet am Samstag, den 18.6.2022 eine Demonstration statt, zu der alle eingeladen sind, die sicherer in der Stadt und Umgebung mit dem Fahrrad unterwegs sein möchten, besonders auch Familien mit Kindern sind angesprochen. Die veranstaltenden Gruppen, ein Aktionsbündnis u.a. der People For Future, Psychologists For Future, Fridays for Future, BUND, ADFC, VCD, machen mit dieser Aktion auf die Wichtigkeit veränderter Mobilität für gegenwärtiges und zukünftiges Leben aufmerksam.
Gemeinsam mit dem ADFC haben die People for Future Gelnhausen in zahlreichen Befahrungen und Sitzungen rund 80 Maßnahmen erarbeitet, die vom Stadtparlament einstimmig an den Magistrat übergeben wurden. Einige einfache Maßnahmen wie Fahrbahnabsenkungen wurden kurzfristig umgesetzt, viele andere lassen auf sich warten. So fragt der Sprecher ihrer AG Mobilität, Harald Geib: „Wo bleibt die Fahrradstraße/ -zone im Lohmühlenweg oder, wie vom Main-Kinzig-Kreis vorgeschlagen, auch auf dem Uferweg? Wie wird der Bahnhof für Radfahrende aus allen Richtungen angebunden? Wie wird die Ein- und Ausfahrt aus der Bahnunterführung in der Altenhaßlauer Straße sicherer gestaltet? Wo sind die Fahrradgaragen mit der E-Bike-Ladeinfrastruktur, die im Ziegelhaus an der Einfahrt zur Müllerwiese aufgestellt werden sollten, abgeblieben? Warum wird die Einbahnstraße in der Röthergasse zwischen Herzbachweg und Schützengraben nicht für den Radverkehr freigegeben? Was ist mit den Fahrradstreifen an der Frankfurter Straße Höhe Finanzamt?“
Das Aktionsbündnis begrüßt sehr, dass sich Bürgermeister Daniel Glöckner öffentlich beim Radiosender Primavera für ein fahrradfreundlicheres und klimaneutrales Gelnhausen ausgesprochen hat, und erwartet nun auch entschlossenes Handeln.
„Die sich ständig zuspitzende Dramatik der Klima- und ökologischen Katastrophe steht neben den anderen Katastrophen wie Krieg in Europa und Pandemie unübersehbar in allen Medien, dass man es manchmal gar nicht mehr hören oder lesen möchte. Wie können wir uns von diesen Fakten nicht lähmen lassen, sondern ins Handeln kommen?“ Mit dieser und anderen Fragen beschäftigen sich die Psychologists For Future, die sich nun auch im Main-Kinzig-Kreis regional gegründet haben. Bezüglich umwelt- und klimaschonender Mobilität biete sich mit der Demonstration eine wirkungsvolle Möglichkeit.
Start der Aktion ist um 11:00 Uhr an der Ecke Müllerwiese/Am Ziegelturm mit Informationen zur Mobilitätswende in Gelnhausen. Vorbei am Joh-Schaufenster mit der Aktion „Wattbewerb“ der People For Future geht es auf sicherem Weg zur Unterführung nach Linsengericht und dann über die Lagerhausstraße zum „Markt am Glashaus“ des Inklusionsbetriebes Grün + Grün GmbH. Der Zielpunkt der Veranstaltung ermöglicht einen wirkungsvollen Beitrag zu einer geringeren CO2-Belastung, denn beim Einkauf auf dem Wochenmarkt am Glashaus in Linsengericht werden regionale Lebens- und Genussmittel angeboten. Gleichzeitig sind hier Arbeitsplätze für Menschen mit Handicap geschaffen worden. Für Kinder findet eine besondere Attraktion statt: eine Künstlerin bietet eine attraktive Schminkaktion für Kinder und Junggebliebene an. Außerdem gibt es Informationen im Rahmen einer Führung über die Produkte wie z.B. Edelpilze und Heimische Wildstauden, die auf dem Gelände angebaut werden.
People for Future Gelnhausen
Psychologists for Future Main-Kinzig-Kreis
Fahrraddemo zum Glashaus
https://rv-k.de/MKK/Radverkehrskonzept/Abstimmung/WebGIS.html
Für Gelnhausen sind folgende Maßnahmen vorgeschlagen:
Maßnahmen-Nr.: 105: Bordstein absenken (Höchst-Haitz)
Wesentlicher ist aber auf der Ortsverbindungsstraße Höchst-Haitz und Höchst-Gelnhausen (Freibad)
die Ausweisung als Fahrradstraße, mindestens jedoch eine Geschwindigkeitsreduzierung auf „Tempo 30“ und Beschilderungen „Radfahrer kreuzen“. Als Schulradweg ist darüberhinaus für die Beleuchtung zu sorgen.
Maßnahmen-Nr.: 126: Querungshilfe anlegen (Höchst)
Die Geschwindigkeit auf den Ortsdurchfahrten in GN-Höchst und GN-Haitz ist auf „Tempo 30“ zu reduzieren.
Maßnahmen-Nr.: 127: VZ 250 (Verbot für Fahrzeuge aller Art) für Radverkehr freigeben (Untere Schönau-Ost/Höchst)
Maßnahmen-Nr.: 128: VZ 250 (Verbot für Fahrzeuge aller Art) für Radverkehr freigeben (Untere Schönau-West/Höchst)
Maßnahmen-Nr.: 111: Radweg neu bauen (Entlang der Bahntrasse Gelnhausen-Haitz)
Der Radweg wird erst gebaut werden, wenn die Bahnausbaustrecke fertig gestellt ist. Da hierfür das Planfeststellungsverfahren noch nicht beendet ist, können die Radfahrenden nicht abwarten bis diese Planung umgesetzt wird. Daher ist dringend der Straßenabschnitt auf der Barbarossastraße zwischen Am Solbad und Himmelauer Mühle (R3 und Schülerroute) mit einem getrennten Rad- und Gehweg auf der Südseite und einem Radfahrstreifen auf der Nordseite herzurichten!
Maßnahmen-Nr.: 137: Oberfläche asphaltieren (An der Burgmühle – Flutbrücke)
Die DB-Maßnahme „Flutbrücke“ ist dringenst fertig zu stellen, damit sie endlich von Radfahrenden passiert werden kann.
Maßnahmen-Nr.: 117: Sonstiges – „Rechts abbiegen – Radverkehr frei“ (Müllerwiese/An der Burgmühle)
Der Absperrpfosten An der Zehntscheune/Einfahrt Müllerwiese ist für Fahrräder mit Anhänger auf 1,80 Meter Durchfahrtsbreite zu versetzen.
Die Einbahnstraße Röther Gasse zwischen Herzbachweg und Schützengraben ist entgegen der Fahrtrichtung für Radverkehr frei zu geben.
Maßnahmen-Nr.: 118: Querungshilfe anlegen (Altenhaßlauer Straße/Bahnunterführung)
(1) Auf der Einfahrt in die Bahnunterführung ist das Schild „Radfahrer absteigen“ zu entfernen.
(2) Die im Plan eingetragene Radwegverbindung zum Bahnhof Gelnhausen ist nur ein Gehweg mit einer Breite von 2,1 Meter! Wie soll hier eine zulässige Radwegverbindung geschaffen werden? Eine Möglichkeit wäre durch das städtische Parkhaus.
Maßnahmen-Nr.: 109: Fahrradstraße anordnen (Am Seegrasen)
Wie kommen Radfahrende sicher vom Bahnhof zur Fahrradstraße?
(1) Über den Bahnhofsvorplatz muss ein Schutzstreifen für den Radverkehr ausgewiesen und die Einbahnstraße für den Radverkehr in Gegenrichtung freigegeben werden.
(2) Auf der Clamecystraße muss zwischen Kreisverkehr und Am Seegrasen ein Schutzstreifen oder auch Fahrradstraße ausgewiesen werden.
(3) Die Einbahnstraße Graslitzer Straße muss für den Radverkehr in Gegenrichtung freigegeben werden.
Maßnahmen-Nr.: 116: Sonstiges „Radfahrer absteigen“ (Rasensteg)
Das mittig auf dem Steg angebrachte Schutzgeländer ist zu entfernen!
______________________________________________________________________________________________
Offener Brief an Politik und Verwaltung der People for Future Gelnhausen vom 23.12.2020
Wir begrüßen sehr, dass unser Bürgermeister Daniel Glöckner sich öffentlich beim Radiosender Primavera für ein fahrradfreundlicheres und klimaneutrales Gelnhausen ausgesprochen hat und erwarten nun auch entsprechende Maßnahmen. Auch begrüßen wir, dass sich die Kreissparkasse Gelnhausen zum 1,5°-Ziel bekannt hat und bis zum Jahr 2035 Klimaneutralität anstrebt. Wir gehen davon aus, dass dieses Ziel auch bei der Entwicklung der Joh-Immobilie verfolgt wird. Dazu gehören u.a. der Einsatz nachhaltiger Baustoffe und erneuerbarer Energien für Strom und Wärme, Dach-und/oder Fassadenbegrünung und die mobile Erschließung durch eine intelligente Fahrrad- bzw.
Verkehrsinfrastruktur. Diese Statements kommunaler Akteure sind wichtige Signale für die nachhaltige Entwicklung unserer Stadt.
Mit diesem Brief möchten wir als parteiübergreifende ehrenamtliche Initiative unsere Verwunderung zum Ausdruck bringen, dass bislang nicht eine Person aus Politik und Verwaltung Kontakt zu uns aufgenommen hat bzgl. unserer Vorschläge zur Verbesserung des Radverkehrs in Gelnhausen.
Demokratie lebt davon, dass Bürgerinnen und Bürger sich an der Gestaltung von Politik beteiligen, insbesondere auf kommunaler Ebene. Gemeinsam mit dem ADFC haben wir in zahlreichen Befahrungen und Sitzungen dazu insgesamt 80 Maßnahmen erarbeitet. Darunter gibt es auch viele einfache Maßnahmen, die zügig und kostengünstig umgesetzt werden können. Den Maßnahmenkatalog finden Sie hier. Außerdem gibt es bei Hessenmobil eine übersichtliche Auflistung über mögliche Fördermittel für die Nahmobilität von Kommunen (https://www.nahmobil-hessen.de/).
Aus der Bevölkerung haben wir viele positive Rückmeldungen auf unser Engagement hin erhalten. Dies ist auch nicht weiter verwunderlich, da mit dem Fahrrad mobil sein zu können in vielerlei Hinsicht zur Verbesserung der Lebensqualität der Gelnhäuser beiträgt. Lärmemissionen werden reduziert, wenn weniger Autos auf den Straßen unterwegs sind. Die seit vielen Jahren im Verkehrssektor stagnierenden
CO2-Emissionen werden verringert und damit ein wichtiger Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen (Begrenzung der Erderwärmung möglichst auf 1,5 °C) geleistet. Platz, der zuvor Autos vorbehalten war, kann anderweitigen Nutzungen wie grüner Naherholung oder Wohnraum zugeführt werden. Gesundheit und Immunabwehr werden gestärkt durch mehr Bewegung und weniger Schadstoffbelastungen, was spätestens jetzt im Zuge der Pandemie von höchster Bedeutung ist. Die kommunalen Ausgaben für die Fahrradinfrastruktur sind um ein Vielfaches geringer als für die Autoinfrastruktur. Und viel günstiger für die Bürgerinnen und Bürger ist Radfahren allemal, kostet die Automobilität doch durchschnittlich unfassbar hohe 425 € im Monat1. Warum sollten wir als Gelnhäuser auf so vieles verzichten, was unsere Lebensqualität nachweislich steigert..?
Wir fordern, fraktionsübergreifend und in Zusammenarbeit mit der Verwaltung einen Antrag auszuarbeiten, um Gelnhausen kurzfristig fahrradfreundlicher zu gestalten. Mit unserem Maßnahmenkatalog möchten wir uns an diesem Prozess beteiligen. Wir bitten um Kontaktaufnahme und freuen uns auf konstruktive Gespräche.
Frohe Festtage und einen guten starten in das neue Jahr 2021!
People for Future Gelnhausen
Fridays for Future Gelnhausen
1) Andor et al 2020: Running a car costs much more than people think
(http://www.nature.com/articles/d41586-020-01118-w)