Bitte um eine Klima-Weihnachtspredigt
Lieber Pfarrer XXXX,
wie Sie vielleicht wissen, bin ich seit letztem Jahr stolzer Vater eines Sohns, Karl. In diesem Sommer habe ich vier Monate Elternzeit genommen. Es hätte die schönste Zeit meines Lebens werden sollen. Doch leider hat sich ein Schatten über diesen Sommer gelegt. Statt unbeschwerte Stunden mit meinem Sohn zu verbringen, in meiner Vaterrolle aufzugehen und einfach Mensch zu sein, habe ich jede freie Minute einem Thema gewidmet, das mich, seitdem ich das erste Mal mit ihm in Berührung gekommen bin, nicht mehr losgelassen hat: der planetare Klimanotstand.
Die Klimakrise ist seit dem Sommer 2018 omnipräsent. Ich habe mich jedoch lange Zeit einer Auseinandersetzung mit dem Thema verweigert. Zu groß war die Angst, eine Konfrontation mit der Wahrheit würde mir den Boden unter den Füßen wegziehen. Diese Haltung ließ sich mit Beginn meiner Elternzeit nicht mehr durchhalten. Denn ich war es meinen Sohn schuldig, mich mit seiner Zukunft zu befassen.
Jeder, der sich ernsthaft mit dem Thema Klimakrise auseinandersetzt, wird schon nach kurzer Zeit zu der Erkenntnis gelangen, dass sich die Menschheit an einem historischen Wendepunkt befindet. Unser verschwenderischer und rücksichtsloser Lebensstil hat die Welt an den Rand einer Katastrophe geführt. Auch Papst Franziskus hat das erkannt, als er im vergangenen Juni den globalen Klimanotstand erklärt hat.
Bislang hat sich unser Planet im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter um ein Grad erwärmt. Die gravierenden Auswirkungen dieser Erwärmung erleben wir in Form von Naturkatastrophen und Hungersnöten, die sich über den ganzen Globus ziehen. In den Jahren 2018 und 2019 ist die Krise nun auch vor unserer Haustür angekommen: mit zwei verheerenden Dürresommern. Ernteausfälle, Niedrigwasser, Baumsterben und Hitzetote waren die Folge. Doch das ist erst der Anfang.
Wissenschaftler warnen, dass wir kurz davor sind, Kipppunkte in unserem Klimasystem zu überschreiten, die das Potential haben, einen Domino-Effekt auszulösen, der den Planeten in eine lebensfeindliche Heißzeit katapultiert. Das hieße: Vier bis fünf Grad Erderwärmung bis zum Jahr 2100. Weite Teile der Erde wären dann unbewohnbar und sämtliche Ökosysteme kollabiert - und damit die Nahrungsketten, an deren Ende auch der Mensch steht. Die menschliche Zivilisation dürfte damit an ihrem Endpunkt gelangt sein. Mein Sohn ist dann 81 Jahre alt.
So unwirklich uns diese Prognosen erscheinen, sie entsprechen den aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaft. Dies ist der Grund, warum im vergangenen Jahr weltweit Millionen junger Menschen auf die Straße gegangen sind. Seit dem letzten Sommer bin ich ein Teil von ihnen.
Papst Franziskus selbst steht hinter der Bewegung und appellierte bereits 2015 in seiner Enzyklika: Laudato sí an die Menschen, die Klimakrise ernst zu nehmen und betonte, dass es notwendig ist, „dazu politische Programme zu entwickeln". Doch die Politik verweigert sich einer wirksamen Lösung des Problems und flüchtet sich in windelweiche Kompromisse, die ein menschenfreundliches Klima nicht werden retten können. Denn die Natur verhandelt nicht.
Mein Engagement für den Klimaschutz hat mich in den letzten Monaten zu der ernüchternden Erkenntnis gebracht, dass einem Großteil der Menschen ihr lieb gewonnener Lebensstil wichtiger ist als die Lebensperspektiven künftiger Generationen. Es ist die Aufgabe aller verantwortungsbewussten Menschen gegen diese kollektive Verdrängung anzukämpfen und das Problem ins Bewusstsein der Bevölkerung zu holen und für die Bewahrung der Schöpfung einzutreten.
Das christliche Weihnachtsfest ist der eine Zeitraum im Jahr, in dem wir innehalten und uns reflektieren. Ich möchte Sie daher bitten, als Multiplikator daran mitzuwirken, dass die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes zur Besinnung kommen. Machen Sie den Klimanotstand und die Bewahrung der Schöpfung zum Thema Ihrer Weihnachtspredigt.
Das kommende Jahr wird das entscheidende im Kampf gegen die Klimakrise. Wissenschaftler gehen davon aus, dass uns gemessen am CO2-Restbudget, das die Menschheit noch emittieren darf, 10 Jahre verbleiben, um den Kollaps zu verhindern. Die politischen Weichenstellungen für diese 10 Jahre werden im November 2020 auf dem Klimagipfel in Glasgow getroffen. Es ist der wichtigste Klimagipfel seit Paris. Schaffen wir bis dahin nicht die 180 Grad-Wende, hilft auch kein Beten mehr.
Darum möchte ich Sie eindringlich bitten: Nutzen Sie diesen einen Moment im Jahr, in dem die ganze Kirchengemeinde versammelt ist und appellieren Sie an ihr christliches Gewissen. Machen Sie den Menschen klar, was auf dem Spiel steht und ermuntern Sie sie, sich für Klimaschutz einzusetzen. Darum bitte ich Sie als Gemeindemitglied, Christ und Vater.
Herzliche Grüße
XXX
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