Treffen der For Future Gruppen mit der Chemnitzer Stadtverwaltung

P4F Chemnitz
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Event date 14 März '22 16:00
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Treffen der For Future Gruppen mit der Stadtverwaltung Chemnitz

Chemnitz, 14.3.2022

Am 14.3.2022 sind die Chemnitzer Ortsgruppen der Fridays-, Students- und Parents-for-Future von der Stadtverwaltung ins Technische Rathaus eingeladen worden. Gastgeberinnen sind die Leiterin des Umweltamtes, anwesend mit 2 Mitarbeitern. Eine Mitarbeiterin des Chemnitzer Umweltzentrums moderiert.

Das Treffen dient dem Kennenlernen und soll einen ersten Austausch, bestenfalls einen weiteren gemeinsamen Prozess ermöglichen.

Als Input bringen wir diesen Blogbeitrag mit, der unsere Themen enthält. Es handelt sich um einen Diskussionsstand der Chemnitzer For-Future-Gruppen. Der "offizielle" Forderungskatalog von Fridays For Future ist die Quelle [8].

Grundlagen

Die Menschheit beansprucht den Planeten stärker, als er zu geben in der Lage ist. Wegen des unterschiedlichen Ressourcenverbrauches ist der Erdüberlastungstag1 für jedes Land anders. Am 5. Mai 2021 hatte Deutschland das Jahresbudget der irdischen Ressourcen bereits überzogen.

Verbrauchte Ressourcen - das ist nicht nur die noch verfügbare Kapazität der Atmosphäre  Treibhausgase aufzunehmen, bis die im Pariser Klimaabkommen vereinbarte, maximale Erderwärmung von +1,5°C im Jahr 2100 erreicht sein wird. Wobei dieses Ziel überhaupt nicht in Sicht ist, steuert doch die Menschheit auf eine Erwärmung von +5,5°C im Jahr 2100 zu, weil der weltweite CO2- und Temperaturanstieg trotz Pariser Abkommen ungebremst steigt.

Neben der katastrophalen Situation beim Klima sprengt die Menschheit noch weitere planetare Grenzen2

Planetare Grenzen

 

Die planetaren Grenzen unserer Lebensgrundlagen nicht mehr zu überschreiten wäre nachhaltig. Oder anders gesagt: Der Erdüberlastungstag muss der 31.12. oder später sein. 

Die planetaren Grenzen als Handlungsfelder

Für ein nachhaltiges Chemnitz sind also folgende Fragen zu stellen: Was trägt die gesamte Stadt - nicht nur die Stadtverwaltung - bei zu

  • Klimawandel,
  • Ozonverlust der Stratosphäre,
  • Versauerung und Verschmutzung der Meere,
  • Störungen des Stickstoff- und Phosphorkreislaufs,
  • Süßwasserübernutzung,
  • Landübernutzung,
  • Biosphärenschädigung?

Die klimawandelbedingte Temperaturerhöhung zu begrenzen ist zentral wegen der Denaturierung von Eiweißen bei ca. 40°C und der begrenzten Kühlfähigkeit eiweißbasierten Lebens.

Irdisches Leben hält der menschengemachten Temperaturerhöhung nicht stand, sie erfolgt viel zu schnell, als dass Evolution und natürliche Wanderungsprozesse mithalten könnten. Nicht habitable Zonen breiten sich aus. Schneller als gedacht  geht die Schmelze der letzten irdischen Eispanzer und der Meeresspiegelanstieg vonstatten. Auch beraubt der Mensch die Natur, in dem er ihr immer mehr Räume entreißt statt bereits geraubte Räume der Natur zurückzugeben. Rapider Abnahme der Artenvielfalt  folgen Zusammenbrüche im System natürlicher Nahrungsketten. Migration in habitable Zonen und kriegerische Auseinandersetzung um sie sind absehbar. Schon heute versetzen unvorhersehbare, klimawandelbedingte Sturzfluten, Dürren, Megafeuer u.a. Katastrophen die Gesellschaften und ihre Wertschöpfungsströme in immer höheren Stress.

Entgegen wirkende Schutz-, Sicherheits- und Katastrophenvorsorgen und eine extrem  gesteigerte Bekämpfung der Ursachen planetarer Übernutzung müssen Hand in Hand gehen, damit das Pariser Klimaziel doch noch erreicht wird.

Der 7. Chemnitzer Klimaschutzbericht5

Er fokussiert sich auf die planetare Grenze des Klimas. Grundlagen werden leicht verständlich und fachlich ausgezeichnet erklärt, ebenso wichtige städtische klimarelevante Kennziffern und Trends. Maßnahmen und Projekte werden beschrieben, um die Situation zu verbessern.

Wichtigste zusammenfassende Aussagen sind:

  • Die bisher getroffenen Maßnahmen reichen nicht aus, damit die Stadt ihren Beitrag zum 1,5-Grad-Ziel einlöst.
  • Die gesetzlichen Rahmenbedingungen machen es unmöglich, das Klimaziel überhaupt zu erfüllen.
  • Die Stadt möchte künftig mehr fürs Klima tun, als gesetzlich verlangt wird. Genaueres soll in der Fortschreibung des Integrierten Klimaschutzprogramms zu finden sein.

Der letzte Punkt ist eine gute Botschaft!

Einzelne Vorschläge

Vorschläge der Chemnitzer For-Future-Gruppen:

  1. Die Chemnitzer CO2-Reduktion muss 8% pro Jahr betragen, was 2035 zur Klimaneutralität führt. Dazu ist im Zuge Fortschreibung des Integrierten Klimaschutzprogramms5 ein Klimaneutralitätsplan 2035 aufzulegen mit ersten CO2-Minderungsmaßnahmen noch in dieser Haushaltsperiode. Die überparteiliche Initiative GermanZero hat hierfür sowohl ein umfassendes Gesetzes- als auch Lösungspaket9 zusammengestellt.
  2. "Integriertes Klimaschutzprogramm" greift zu kurz - daraus muss ein "Integriertes Programm zum Schutz der städtischen Lebensgrundlagen" werden, das sich an den planetaren Grenzen orientiert.
  3. Chemnitz braucht eine Klima- bzw. Nachhaltigkeitsbürgermeisterin, die dem Finanzbürgermeister gleich gestellt ist. Klimamanager auf Sachbearbeiterebene greift zu kurz. Natürliche Ressourcen dürfen ebenso wenig übernutzt werden wie finanzielle. Klimabürgermeister gibt es schon in anderen Städten4. Sie bündeln alle relevanten Aktivitäten der Stadt. Ebenso wie der Kämmerer die nachhaltige Bewirtschaftung der Finanzen sicher stellt tut das die Nachhaltigkeitsbürgermeisterin mit den städtischen Lebensgrundlagen. Lebensgrundlagen wie Finanzen sind knappe Güter - Lebensgrundlagen sind aber wichtiger.
  4. Oberbürgermeister und Nachhaltigkeitsbürgermeister setzen sich im Städte- und Gemeindetag gemeinsam mit anderen Kommunen dafür ein, dass Schutz der Lebensgrundlagen zur kommunalen Pflichtaufgabe mit laufenden Zuweisungen von Bund und Land wird. Sie setzen sich ebenfalls dafür ein, dass die Klimagesetzgebung 1,5-Grad-gerecht wird.
  5. Klima und Nachhaltigkeit müssen Chefsache werden! Der Chemnitzer Oberbürgermeister muss dem Schutz der Lebensgrundlagen oberste Priorität einräumen. Es gibt nur eine Lebensgrundlage, ohne die bspw. Wirtschaft nicht existieren kann. Demgegenüber hat der OB Anfang 2022 Wirtschaft zur Chefsache gemacht und eine üppig ausgestattete Stabsstelle dafür eingerichtet. Es braucht jedoch einen Stellenaufbau in stadtplanerischen, umwelt- und naturbezogenen Ressorts!
  6. Chemnitz benötigt einen Klima- und Nachhaltigkeitsteilhaushalt, damit die relevanten Aufgaben finanziell steuerbar sind. Bislang herrscht Interpretationswillkür, was Klimaschutz ist und was nicht - dem Schönrechnen der Ausgaben dafür sind Tür und Tor geöffnet. Eine Vergleichbarkeit mit anderen Kommunen ist unmöglich.
  7. Die Stadtverwaltung setzt endlich den Stadtratsbeschluss "Klimaauswirkungen in Beschlussvorlagen" um. Das Formblatt war Ende des Jahres 2021 nicht verfügbar, obwohl es bis Q3/2021 hätte erstellt werden sollen.
  8. Chemnitz wird zur Schwammstadt entwickelt. Wo immer möglich wird entsiegelt, begrünt, Regenwasser genutzt statt in die Kanalisation geleitet. Hitzeinseln der Stadt sind rückzubauen und natürlich zu verschatten, kühlende Luftschneisen sind zu entwickeln.
  9. Feuchtbiotope der Stadt und ihre darin vorkommenden Flora- und Faunapopulationen sind zu erfassen, zu überwachen und weiter zu entwickeln. Trocken gelegte Biotope sind wiederzuvernässen. Renaturierung von Kleingewässern wie den Pleißebach.
  10. Der ÖPNV in Stadtrandgebieten und unmittelbar angrenzenden Gemeinden bekommt einen Halbstundentakt, oder einen kürzeren Takt. Die Einzugsbereiche aller ÖPNV-Haltestellen sind mit Fußwegen auszustatten, die von der Fahrbahn baulich getrennt sind. Zu Fuß sicher erreichbare Haltestellen, die wenigstens im Halbstundentakt angebunden sind, sind ein attraktives Angebot, vom PKW auf ÖPNV umzusteigen. Universell und flexibel gestaltete Alita-Lösungen wie in Zwönitz verhindern Leerfahrten klassischer Busse.
  11. Stärkung des Chemnitzer Modells und des ÖPNVs durch City-Maut und 365€-Ticket.
  12. Umgestaltung des Stadtrings und des Falkeplatzes, um die Innenstadt attraktiver zu machen.
  13. Bahnhof als Verkehrsknotenpunkt - schnellstmögliche Verlagerung des Busbahnhofes zum Hauptbahnhof.
  14. Großvermieter wie die GGG müssen ihren Beitrag für fotovoltaische Stromgewinnung, Wärmewende mit energetischer Sanierung und Begrünung / Beitrag zur Schwammstadt leisten.
  15. Chemnitz nimmt am bundesweiten Wattbewerb der Großstädte zur Verdopplung der Solarfläche teil. In der inoffiziellen Liste aller Großstädte und nicht nur der, die am Wattbewerb teilnehmen, liegt Chemnitz auf Platz 3, das heißt, wir haben den drittgrößten Solarzubau!
  16. Recycling und Veredlung statt Verbrennung, z.B. mit Pyrolyseverfahren. Analog zum Abwasserzweckverband Frohnbach eine Klärschlammpyrolyse in Heinersdorf aufbauen statt der geplanten Verbrennung der Chemnitzer Klärschlämme in einer zentralen Monoverbrennungsanlage irgendwo in Mitteldeutschland.
  17. Schutz und Sicherheit vor Klimaauswirkungen: Die Stadt benötigt umfassende Vorkehrungen für Extremwetterereignisse wie Sturzfluten/Regenbomben, Extremdürre, Grundwasserdürre, Klimabrände. Zusammen mit den Erzgebirgskommunen muss das Talsperrensystem und dessen tragende Säule, der Erzgebirgswald klimaresilient werden.
  18. Die Chemnitzer Klimapolitik ist mit anderen Kommunen des Umlandes und Sachsens zu vernetzen und zu koordinieren, denn Klima- und Umweltprobleme machen vor Stadtgrenzen nicht halt.
  19. Bürgern, Wirtschaft und Institutionen außerhalb der Verwaltung muss der Schutz der Lebensgrundlagen ermöglicht werden, z.B. durch Förderung, geeignete Formate der Kommunikation
  20. Bildungsangebote für Bevölkerung, Kindergärten, Schulen und andere Einrichtungen in geeigneten Formaten müssen organisiert werden. 

 

 


Quellen

1 Erdüberlastungstag: https://www.umweltbundesamt.de/themen/erdueberlastungstag-deutschland-lebt-auf-kosten

2 Planetare Grenzen: https://www.bmuv.de/themen/nachhaltigkeit-digitalisierung/nachhaltigkeit/integriertes-umweltprogramm-2030/planetare-belastbarkeitsgrenzen 

3 Nachhaltigkeit: https://de.wikipedia.org/wiki/Nachhaltigkeit

4 Klimabürgermeister Würzburg: https://www.br.de/nachrichten/bayern/bilanz-bayerns-erster-klimabuergermeister-ein-jahr-im-amt,SWG0rPy

5 Siebter Klimaschutzbericht der Stadt Chemnitz vom September 2021, und Integriertes Chemnitzer Klimaschutzprogramm von 2012: https://www.chemnitz.de/chemnitz/de/unsere-stadt/umwelt/klimaschutz/index.html . Dort ist die Rede von einer Senkung der CO2-Emissionen von 2% pro Jahr.

Unzureichende Chemnitzer Klimaziele

Das ist unzureichend: Um bis 2035 klimaneutral zu sein braucht es 8% CO2 Reduktion pro Jahr.

6 Stadtratsbeschluss BA-093/2020 "Klimaauswirkungen in Beschlussvorlagen": https://session-bi.stadt-chemnitz.de/vo0050.php?__kvonr=6974504

7 Wattbewerb: https://wattbewerb.de/

8 Forderungen von Fridays for Future: https://fridaysforfuture.de/forderungen/ 

9 GermanZero - Maßnahmen zur Klimaneutralität 2035: https://germanzero.de/loesungen


Änderungshistorie

12.03.2022: Letzten Satz im Kapitel über den Klimaschutzbericht ergänzt.

11.03.2022: Hinweis auf GermanZero9 und "offizielle" Forderungen8 von Fridays for Future. Orthografische Korrekturen

06.03.2022: Erstellung