Chemnitzer Holzkraftwerk der eins: Woher kommt das Holz?

P4F Chemnitz
P4F Chemnitz • 29 Oktober 2020
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Chemnitzer Holzkraftwerk der eins Energie: Woher kommt das Holz?

Dieser Artikel ergänzt unsere Blogbeiträge zum Holzkraftwerk vom 8.7.2020  https://parentsforfuture.de/de/node/2759 und 31.10.2020 https://parentsforfuture.de/de/node/2959

Chemnitz, 29.10.2020

Am 14.10.2020 führte der Versorger eins Energie  in der Gaststätte "Emils 1910", Mauersbergerstraße 2a in Chemnitz eine 1. Informationsveranstaltung über das geplante Holzkraftwerk durch, das 2021 in unmittelbarer Nähe errichtet werden soll.

Es ist Teil des Wärmeversorgungskonzepts von 2017 1, also aus einer Zeit vor den Heißjahren 2018/19/20, die uns die Wichtigkeit des unbedingten Walderhalts vor Augen geführt haben.

Leider wollte die eins Energie erst "nach der OB Wahl" - also kurz vor Baustart - mit einer Informationsveranstaltung an die Öffentlichkeit gehen, obwohl die Holzkraftwerkspläne schon längst in der Schublade lagen, und eine wesentlich frühere Einbindung der Betroffenen möglich gewesen wäre.

Die Beschaffungspläne der eins Energie für das zu verbrennende Holz sind nun auch vollendete Tatsache.

Und mit ihnen die Gefahr, dass der Chemnitzer Energiekonsument mit seinen Gebühren das weltweite, illegale Abholzen gesunder Wälder unterstützt, und Schadstoffe über die Chemnitzer Frischlufteinzugsschneise4 zu atmen bekommt.

Die Fakten

  • Die eins will 90% des Holzes aus Entfernungen bis 250 km beschaffen, 10% können aus Entfernungen über 250 km kommen. Es werden pro Jahr 80.000 Tonnen Holz verbrannt1, davon mindestens 8.000 Tonnen Holz aus weltweiter Beschaffung. 90% des Chemnitzer Holzes kommt aus bis zu 250 km Entfernung, 10% werden weltweit beschafft
     
  • Der regionale Wald ist erschöpft, man kann also kein Holz nachhaltig ernten.4 Zudem wird der sächsische Wald seit Jahrzehnten viel zu intensiv genutzt. Auf dem Chemnitzer Carlowitzdialog am 25.6. wurde deutlich: Die sächsische Staatsregierung will von der Übernutzung des Waldes weg.
  • Nach offiziellen Angaben1 der eins soll das Holz ausschließlich stammen aus:
    • Waldrestholz: Das ist der Abraum des "regulären Holzeinschlages" z.B. Kronen und Äste. Das Stammholz wird von der holzverarbeitenden Industrie verwendet. Auch Schwachholz, das zu dünn für die Holzindustrie ist, wird oft unter Waldrestholz verstanden. Pro Hektar Wald kann man max. 0,4 bis 0,8 Tonnen Brennstoff aus Waldrestholz gewinnen 2
    • Schadholz: Bruchholz, Sturmholz, Schneeholz, Käferholz, sonstiges Schadholz 3
    • Holz aus Baum-, Strauch- und Landschaftspflege: Landschaftspflegeholz fällt bei Pflegearbeiten, Baumschnittaktivitäten in der Land- und Gartenbauwirtschaft und/oder sonstigen landschaftspflegerischen oder gärtnerischen Maßnahmen in Parks, auf Friedhöfen, an Straßen- und Feldrändern, an Schienen- und Wasserstraßen, in Obstplantagen, Weingärten oder Privatgärten an. Allerdings kann die Brennstoffqualität infolge erhöhter Verschmutzung (Aschegehalt) oftmals vermindert sein. Holz aus der Landschaftspflege wird häufig nicht als naturbelassen anerkannt, insbesondere wenn es sich um Material von Straßenrändern oder um Gartenabfälle handelt. Das liegt vor allem an den teilweise festgestellten erhöhten Problem- und Schadstoffgehalten im Brennstoff (z.B. Asche, Chlor, Schwermetalle). Deutlich ungünstigere Brennstoffeigenschaften besitzen dagegen halmgutartige Brennstoffe aus der Landschaftspflege 2
    • Kurzumtriebsplantagen (KUP) 4,5: Monokulturen, auf denen schnell wachsende Bäume wie Pappeln und Weiden als Energiepflanzen angebaut werden. Brennholzertrag ca. 10 - 15 Tonnen pro Hektar. Ernte nach ca. 3 bis 6 Jahren möglich.2, 5
  • Die eins bezieht das Holz vom international tätigem Brennstofflieferanten "Brüning | Megawatt" 1, der sich wie folgt beschreibt:
    • "Ihr Partner für Biomasse: Die Brüning-Megawatt GmbH ist der faire Mittler zwischen Rohstofferzeugern und stofflichen sowie thermischen Verwertern. Wir sorgen bei unseren Lieferanten für einen zuverlässigen Abfluss der Produkte und bieten Sicherheit, Regelmäßigkeit, Service und Qualität bei der Versorgung von Heizkraftwerken im Bereich von Frisch- und Altholz, der Müllverbrennung und Holzwerkstoffindustrie."6
  • eins Energie behauptet die lückenlose, nachvollziehbare 100%ige Dokumentation der Lieferungen  Das ist leider unmöglich: ​​​​
    • "Brüning | Megawatt" schreibt selbst, dass nur ab Ladeplatz dokumentiert wird: "Auf jedem unserer Lieferscheine machen wir daher die Ladestelle und damit die ursprüngliche Herkunft kenntlich." 6
    • An Ladestellen, wo LKWs geschlagenes Holz abtransportieren, wird insbesondere in der Ukraine, Rumänien und der Slowakei legales und illegal geschlagenes Holz gemeinsam gelagert.7, 8, 9
    • Es gibt ein verzweigtes Netz an Ladestellen - Holz wird vom Ort der Fällung häufig von Ladestelle zu Ladestelle gebracht 7, 8, 9
    • Entscheidend ist also nicht die Ladestelle, sondern der Ort der Fällung verbunden mit dem Nachweis, dass ein Baum legal gefällt wurde.

Folglich ist die von der eins beworbene Dokumentation nichts wert, da sie keine bedeutsamen Informationen über die Umstände der Fällung, die Transportkette zur Ladestelle und zur Lagerung enthält, die separat von illegalem Holz erfolgen muss. 

In Rumänien wird mehr illegales Holz als legales geschlagen.7, 8, 9 Alle 3 Länder beherbergen den letzten großen Urwald Europas - die Wälder der Karpaten. Die folgenden Bilder zeigen seine Zerstörung durch illegales Fällen:

  • Zustand eines Karpaten-Waldes im Kreis Maramureș im Norden Rumäniens an der Grenze zur Ukraine, 2011 9
    Ein komplett grüner Karpatenwald 2011

  • Der gleiche Wald 2017 9Fast abgeholzter Karpatenwald 2017
     

Die 2010 beschlossene und seit Anfang 2013 in allen EU-Ländern geltende Holzhandelsverordnung10 sollte zwar den illegalen Holzeinschlag beenden10 - daraus ist nichts geworden.7, 8, 9

Schadstoffbelastung des zu verfeuernden Holzes

  • "Brüning | Megawatt" ist Vollsortimenter von Frischholz über Altholz bis  Müll (z.B. Reifen, Plastik etc.). Die Firma ist in der Lage, Frischholzkraftwerke, Altholzkraftwerke und Müllverbrennungsanlagen zu beliefern.6
  • Das neue Holzkraftwerk ist mutmaßlich ein Frischholzkraftwerk, das nach momentaner Planung nur mit unbelastetem Holz, also nicht mit Altholz und Ersatzbrennstoffen beschickt wird. Aber: Nach Angaben der eins ist es für knapp 27 MW Brennstoffwärmeleistung ausgelegt.1  Bemerkenswert: "Brüning | Megawatt" empfiehlt, mindestens 10 MW Leistung zu installieren, um sämtliche Altholzklassen - also auch der höchsten Schadstoffklasse IV - verfeuern zu können.6
  • "Brüning | Megawatt" zählt auch Straßenbegleitholz in die Kategorie des Waldrestholzes.6 Dabei gehört es ganz klar in die Kategorie des potentiell schadstoffbelasteten Landschaftspflegeholzes.2
  • Selbst wenn das neue Holzkraftwerk ausschließlich als Frischholzkraftwerk verwendet wird - durch das geplante Verbrennen von Landschaftspflegeholz und Straßenbegleitholz ist mit bisher nicht berücksichtigten Schadstoffemissionen zu rechnen. Landschaftspflegeholz wird oft nicht als naturbelassen anerkannt, weil es schadstoffbelastet sein kann.2

Fazit  

  • Die von eins Energie beworbenen  Zertifizierungen1 ihres Lieferanten "Brüning | Megawatt" lassen auf den 1. Blick vermuten, dass kein Holz aus illegalem Einschlag stammt.

  • Auf den 2. Blick zeigt sich, dass "Brüning | Megawatt" und eins nicht garantieren können, dass Chemnitz mit Strom und Wärme aus Holz versorgt wird, welches nicht aus Raubbau stammt, und das die besonders stark CO2 speichernden Urwälder nicht dezimiert.

  • Selbst wenn kein Material mit Schadstoffen angeliefert werden sollte, so sind durch Belieferung mit Landschaftspflegeholz und Straßenbegleitholz bisher nicht berücksichtigte Schadstoffemissionen möglich.

  • Biomasseheizkraftwerke können mit unbelastetem Holz, aber auch mit öffentlich bekanntem, schadstoffbelasteten Material wie Altholz und Ersatzbrennstoffen beschickt werden.11 Außer den Versprechungen der eins auf Webseite und Informationsveranstaltung am 14.10. ist nichts erkennbar, was die ausschließliche Nutzung des neuen Holzkraftwerks als Frischholzkraftwerk über den gesamten Lebenszyklus sicherstellt.

Das geplante Holzkraftwerk ist also aus klimagerechter Sicht eine Sackgasse.


Quellen:

1 https://www.eins.de/ueber-eins/infrastruktur/neue-w%C3%A4rme-f%C3%BCr-chemnitz/

2  https://www.tfz.bayern.de/mam/cms08/festbrennstoffe/dateien/handbuch_bioenergie-kleinanlagen-komplett.pdf

3 http://www.schadholz.de/

4 Prof. Dr.-Ing. B. Keil, S. Deterling:  "Gedankenskizze zum Bau eines Holzheizkraftwerks am Standort Chemnitz – Version 2", WHZ - Westsächsische Hochschule Zwickau, https://parentsforfuture.de/system/files/2020-07/Gedankenskizze_Neubau%20eines%20Holzheizkraftwerkes%20durch%20EINS.pdf 

5 https://www.tfz.bayern.de/festbrennstoffe/brennstoffe/035110/index.php

6 https://www.bruening-gruppe.de/megawatt.html

7 https://www.klimareporter.de/europaische-union/die-eu-schaut-nicht-mehr-weg

8 https://www.wwf.de/2019/dezember/schon-wieder-ein-grosser-holzskandal

9 https://www.addendum.org/holzmafia/wald-rumaenien/

10 https://de.wikipedia.org/wiki/Verordnung_(EU)_Nr._995/2010_(Holzhandelsverordnung)

11 https://de.wikipedia.org/wiki/Biomasseheizkraftwerk